Grüne fordern strengeres Vorgehen gegen die "Schnüffelwirtschaft"

Der Bundesvorstand der Oppositionspartei macht sich für ein automatisches Erlöschen von Einwilligungen in den Adresshandel, umfassende Auskunftsrechte der Bürger sowie ein Verbot der Massenabfrage von Meldedaten stark.

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Dem Bundesvorstand der Grünen reichen die Beschlüsse von Bund und Ländern auf dem Datenschutzgipfel vergangene Woche nicht aus. Das Gremium hat daher auf seiner laufenden Klausur in Bamberg einstimmig einen Beschluss gefasst, um nach den Skandalen im Handel mit Kundendaten und Informationen von Meldeämtern die "Schnüffelwirtschaft" zu stoppen und mehr Transparenz zu schaffen. Forderungen des Papiers umfassen unter anderem ein automatisches Erlöschen von Einwilligungen in den Adresshandel, umfassende Auskunftsrechte der Bürger gegenüber Unternehmen sowie ein Verbot der Massenabfrage von Meldedaten.

Nicht nur der Staat befinde sich auf "zügelloser" Datenjagd, sondern auch "immer mehr Wirtschaftsunternehmen speichern, verknüpfen und handeln mit persönlichen Daten", heißt es in dem Beschluss. Obwohl die Lage längst bekannt sei, reagiere die Bundesregierung jetzt erst und im Schneckentempo auf die Herausforderungen durch die schier omnipräsente Datenverarbeitung. Doch auch in den Ländern werde der Datenschutz vernachlässigt, allen voran in Bayern. So weigere sich die Landesregierung im Freistaat weiterhin, eine unabhängige Aufsicht beim Datenschutz für den nicht-öffentlichen Bereich einzuführen und lege sich so auch gegenüber europäischen Bestimmungen quer.

"Mit dem Auswerten von Kauf- und Nutzungsverhalten und dem Zusammenführen von Informationen werden umfassende Persönlichkeitsprofile erstellt", warnt die grüne Parteispitze. Diese Kategorisierung von Menschen könne zu sozialer Ausgrenzung führen. Wer in Datenbanken mit schlechter Zahlungsmoral vermerkt sei oder in einer sozial schwachen Gegend wohne, müsse mit Vorkasse zahlen oder länger in einer Kundenhotline warten. Der Handel mit Kundendaten umfasse längst nicht nur Adressinformationen. Vielmehr würden auch Kontoverbindungen, Kreditkarteninformationen, Mailadressen, Autos, Familienstand, Beruf und zahlreiche weitere persönliche Informationen in den riesigen Datenbergen der Wirtschaft gespeichert.

Um derlei Praktiken "endlich einen Riegel vorzuschieben", machen sich die Grünen für die Erfordernis einer schriftlichen Einwilligung von Verbrauchern stark, bevor Firmen deren Daten für kommerzielle Zwecke erheben, verarbeiten oder weitergeben dürfen. Dieses Plazet soll nach 24 Monaten seine Gültigkeit verlieren, wenn die Betroffenen es nicht schon vorher widerrufen hätten. Der Datenschutzgipfel hat sich dagegen nur auf ein nicht näher spezifiziertes Opt-in-Prinzip für den Transfer von Adressdaten verständigt.

Die Einwilligung sollen die Verbraucher nach Vorstellung des Vorstands der Oppositionspartei auf spezifische Verwendungszwecke beschränken können. Dafür müsse jedes personenbezogene Datum mit Angaben über Herkunft, Nutzungsbeschränkungen, Verfallsdaten und Informationspflichten versehen werden. Für diese Metadaten seien einheitliche Standards auf drei Ebenen zu entwickeln, nämlich für die entsprechenden rechtlichen Verbindlichkeiten im Sinne von "Nutzungslizenzen", für die technische Spezifizierung und für die allgemein verständliche Darstellung etwa durch Symbole.

Der Neun-Punkte-Katalog plädiert auch für ein Verbot der unbegründeten Abfrage von Adressdaten bei den Meldeämtern. Generell dürfe es zudem keine Weitergabe von Meldedaten für Werbezwecke geben. Die Bürger müssten zudem die Möglichkeit haben, dem Transfer ihrer Daten durch die Meldebehörden insgesamt zu widersprechen. Auskunft über die bei Firmen gespeicherten Informationen dürften ferner nicht mehr mit der Begründung "Geschäftsgeheimnis" zurückzuhalten sein.

Weiter appellieren die Grünen an den Staat, die geforderte Datensparsamkeit vorzuleben und auf die Vorratsspeicherung von Telekommunikationsdaten zu verzichten. Durch eine umfassende Protokollierung von Datenabrufen in öffentlichen und privaten Institutionen könne Missbrauch vorgebeugt werden. Neben der geplanten Einführung eines Datenschutzaudit auf Bundesebene, bei dem "Billig-Siegel" zu vermeiden seien, könne die Einrichtung einer "Stiftung Datenschutz" ein geeignetes Mittel sein, um Produkte und Dienstleistungen von Unternehmen sowie öffentlichen Anbietern zu vergleichen und unter Gesichtspunkten der Sicherung der Privatsphäre für die Öffentlichkeit zu bewerten. Der Vorstand schließt seinen Beschluss mit dem Aufruf, sich an der Großdemo gegen den "Überwachungswahn" am 11. Oktober in Berlin und der am 20. September als "Warmup" angesetzten Kundgebung "Freiheit Weiß-Blau" in München zu beteiligen. (Stefan Krempl) / (jk)