Grüne gegen Durchpeitschen von Datenschutzbeschränkungen

Eine wirksame Bekämpfung der Computer- und Netzkriminalität scheitert nach Auffassung der Grünen nicht an unzureichenden Strafnormen und Ermittlungsbefugnissen.

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Eine wirksame Bekämpfung der Computer- und Netzkriminalität scheitert nicht an unzureichenden Strafnormen und Ermittlungsbefugnissen. Das ist der Tenor einer am heutigen Freitag in Berlin vorgestellten Studie des stellvertretenden Hamburger Datenschutzbeauftragten Peter Schaar, die in Zusammenarbeit mit der Bundestagsfraktion der Bündnisgrünen entstand. Statt die Netzüberwachung auszubauen, plädiert Grietje Bettin, medienpolitische Sprecherin der Fraktion, gemeinsam mit Schaar für eine bessere "Ausstattung und Qualifikation" der Strafverfolgungsbehörden.

Die Studie mit dem Titel "Cybercrime und Bürgerrechte" listet eine Reihe von Straftaten auf, für die das Netz missbraucht werden kann. Die Palette reicht von typischen Hacking-Delikten wie der Ausspähung von Daten über Computerbetrug bis zum Anbieten unzulässiger Inhalte wie kinderpornografische oder rechtsextremistische Materialien. Der Internet-Kriminalität stehen eine Reihe von durch die Verfassung garantierten Grundrechten wie dem Fernmeldegeheimnis gegenüber, die dem Papier zufolge "auch im virtuellen Raum gewährleistet werden müssen." Viele der bereits bestehenden Möglichkeiten der Strafverfolger, führen die Autoren der Studie an Beispielen wie der Bereitstellung von Kundendateien für die Ermittler oder der Weiterleitung von Verbindungs- und Nutzungsdaten an die Polizei aus, sind schon heute nur unter erheblichen datenschutzrechtlichen Bedenken aufrechtzuerhalten. Ein "Mehr" an Überwachung sei daher unangebracht.

Bei den Kritikpunkten rangiert bei Bettin die Telekommunikations-Überwachungsverordnung an erster Stelle. Auch nach dem Abnicken des Gesetzes durch die Wirtschaft (Link) halten die Grünen ihren Protest weiterhin aufrecht. Dass die Lauschverordnung einen Teil der Internet-Provider zur Installation von Überwachungstechnik sowie zur Abgabe aufgezeichneter Kommunikationsdaten an die Ermittler verpflichtet, kommt für Bettin nach wie vor einer "Verletzung des informationellen Selbstbestimmungsrechts" der Netzbürger gleich. Eine Chance, das Gesamtpaket "TKÜV" noch zu verhindern, sehen die Grünen nach einem Gespräch mit Vertretern der Geheimdienste sowie des Bundeskriminalamts am gestrigen Donnerstag allerdings nicht mehr angesichts des Drucks in Sicherheitsfragen in Folge der Terroranschläge auf die USA.

Ähnlich verhält es sich bei der Cybercrime-Konvention des Europarats, die nach dem Absegnen durch die Staatssekretäre nun für die Ratifizierung durch die Justizminister der Mitgliedsländer des Gremiums offen steht. Schaar kritisiert an dem Papier vor allem die mangelnden Grundrechtsgarantien. "Wenn Schurkenstaaten dem Vertrag beitreten, könnte es zu der absurden Situation kommen, dass deutsche Nutzer Gegenstand von Überwachungsmaßnahmen nach deren Maßstäben werden." Über die Umsetzung der Bestimmungen in deutsches Recht sei daher "noch zu reden."

Generell fordert Bettin "Besonnenheit und Zurückhaltung" in der internationalen Debatte um die innere Sicherheit. Die "angespannte Atmosphäre" ermögliche momentan eine "Durchpeitschung" von Gesetzen, fürchtet die Grünen-Politikerin mit Blick auf die USA, "die wohl auch "nach einer möglichen Beruhigung der Situation nicht mehr zurückgeholt werden können." Dabei würden "insbesondere der riesige Verwaltungsaufwand", der für "pauschale Abhörmaßnahmen" erforderlich sei, sowie die "reale Effizienz" solcher Methoden "viel zu wenig berücksichtigt." Die weltweite Internetgemeinde hält Bettin für überwiegend friedlich. "Das dürfen auch Geheimdienste und andere Strafverfolgungsbehörden nicht vergessen."

Zur Stärkung der Netzsicherheit wollen die Grünen in der aktuellen Situation vor allem den Selbstschutz der Nutzer verstärken. Auch die Debatte um die Selbstregulierung im Netz müsse wieder aufgenommen werden. Ferner tritt die Fraktion dafür ein, dass die Sicherheit und Vertrauenswürdigkeit von Internet-Angeboten durch unabhängige Gutachter überprüft und zertifiziert wird. Die Grünen appellieren deshalb an die Bundesregierung, "noch in dieser Legislaturperiode ein Datenschutz-Audit-Gesetz zu verabschieden." (Stefan Krempl) / (wst)