Weltraumteleskop James Webb: Überraschender Molekülfund bei jungem Stern

In einem entstehenden Planetensystem hat das Weltraumteleskop James Webb ein zentrales Molekül für die organische Chemie nachgewiesen.

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Bunter Nebel

Der Orionnebel

(Bild: ESA/Webb, NASA, CSA, M. Zamani (ESA/Webb), PDRs4ALL ERS Team)

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Das Weltraumteleskop James Webb hat erstmals einen wichtigen Grundbaustein für organische Chemie in einer protoplanetaren Scheibe entdeckt und damit wohl auch ein Rätsel gelöst. Das hat das für den Forschungsbetrieb verantwortliche Space Telescope Science Institute jetzt publik gemacht. In der 1350 Lichtjahre entfernten protoplanetaren Scheibe d203-506 wurde demnach eindeutig die Spur des Moleküls CH3+ nachgewiesen. Dieses "Methyl-Kation" reagiert vergleichsweise ineffizient mit Wasserstoff und viel besser mit anderen Molekülen. Damit rege es das Wachstum kohlenstoffbasierter Moleküle an und steht unserem gegenwärtigen Verständnis nach am Anfang der organischen Chemie, die unter anderem alle Bausteine des Lebens umfasst.

Die Position der untersuchten protoplanetaren Scheibe

(Bild: ESA/Webb, NASA, CSA, M. Zamani (ESA/Webb), PDRs4ALL ERS Team)

Kohlenstoffverbindungen sind bei der Suche nach außerirdischem Leben von besonderem Interesse, denn alle uns bekannte Lebensformen beruhen darauf. Dass mit CH3+ nun ein Grundbaustein in einem Sternsystem entdeckt wurde, in dem die Entstehung von Planeten noch läuft, ist deshalb besonders spannend. Gleichzeitig wurde mit dem Weltraumteleskop aber auch ermittelt, dass das Molekül dort vorkommt, obwohl das System mit ultravioletter Strahlung von jungen heißen Sternen in der Umgebung regelrecht bombardiert wird. Bislang war man davon ausgegangen, dass solche Strahlung alle komplexen organischen Moleküle zerstört. Der Fund lege jetzt aber nahe, dass die Strahlung für die Entstehung von CH3+ ganz im Gegenteil sogar gebraucht wird, denn sie liefere wohl die nötige Energie.

Während in sogenannten protoplanetaren Scheiben bereits verschiedenste Stoffe und Moleküle nachgewiesen wurden, war das für CH3+ bislang nicht möglich, erklärt das Forschungsteam noch. Das liegt daran, dass sich dessen Spur nur im infraroten Spektrum findet lässt. Das wird aber von der Erdatmosphäre verschluckt, erdgebundene Observatorien sind dafür also blind. Erst mit dem neuen Weltraumteleskop war der Fund deshalb überhaupt möglich. Dank der großen Präzision des neuen Instruments, ausführlichen Vorarbeiten und der Zusammenarbeit verschiedener Forschungsrichtungen habe der Nachweis selbst dann aber nur wenige Wochen gebraucht. Vorgestellt wird der jetzt im Wissenschaftsmagazin Nature.

Die Entdeckung, dass ultraviolette Strahlung die Bedingungen in einem Sternensystem derart ändern können, hat weitreichende Auswirkungen für unser Verständnis von der Geschichte unserer eigenen Heimat und für die Suche nach außerirdischem Leben. So haben Analysen von Meteoriten demnach schon nahegelegt, dass auch das Sonnensystem am Anfang seiner Entstehung derart massiver UV-Strahlung ausgesetzt war. Die könnte für die Bildung der einfachsten Kohlenstoffverbindungen verantwortlich gewesen sein. Gleichzeitig habe man mit dem James-Webb-Weltraumteleskop (JWST) aber herausgefunden, dass protoplanetare Scheiben ohne solche Strahlung reich an Wasser sind. Davon habe man in d203-506 nun überhaupt keine Spur gefunden.

Das von den Weltraumagenturen NASA, ESA und CSA betriebene JWST wurde am 25. Dezember 2021 gestartet. Nachdem es sich in einer komplexen Prozedur selbst entfaltet hat, ist es einen Monat später an seinem Einsatzort angekommen. Hier blickt es abgewandt von Sonne, Erde und Mond ins All, sodass deren Wärmestrahlung das Infrarotteleskop nicht stört. Ein riesiger Schutzschirm blockt diese ab. Seit Monaten zeigt sich die Forschung beeindruckt von den damit gesammelten Daten, regelmäßig werden neue Funde vorgestellt. Die Aufnahme des wissenschaftlichen Betriebs jährt sich in wenigen Tagen zum ersten Mal.

(mho)