Grundrechtsverträgliche DRM-Systeme gesucht

Bei digitalen Rechtekontrollsystemen wie in der Urheberrechtsdebatte allgemein müsse viel mehr an die eigentlichen Urheber und die Nutzer gedacht werden, hieß es auf der Konferenz "Allianz von Recht und Technik".

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Von
  • Monika Ermert

Systeme zur digitalen Rechtekontrolle (Digital Rights Management, DRM) sind beim Vertrieb urheberrechtlich geschützter Werke kaum noch wegzudenken, doch die vorhandenen Systeme hinken weit hinter den Anforderungen her, beklagten mehrere Referenten der Tagung "Allianz von Recht und Technik". Die Konferenz wurde von der Alcatel Stiftung, dem Institut für Europäisches Medienrecht (EMR), der Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg (LpB BW) und der Landesanstalt für Kommunikation (LfK) veranstaltet. "Nicht jeder Urheber kann sich beliebig beteiligen, die Systeme sind nicht universell, sie sind nicht nutzerfreundlich, und sie erlauben auch keine anonyme Nutzung," kritisierte Wolf-Dieter Lukas, Ministerialdirigent im Bundesforschungsministerium.

Bei DRM-Systemen wie in der Urheberrechtsdebatte allgemein müsse viel mehr an die eigentlichen Urheber und die Nutzer gedacht werden, betonte Lukas. "Ich kann mir DRM-Systeme vorstellen, die Nutzern und Urhebern helfen." Auch P2P-Filesharing lasse sich damit unterstützen. Für mehr Nutzerfreundlichkeit und auch Anonymität könnten Drittanbieter sorgen, die als Händler oder "Helfer" für den Kunden einkauften und ihm dann die von ihm gesuchten Inhalte zur Verfügung stellten. "Ich kaufe mein Mehl heute ja auch nicht mehr beim Müller", zog Lukas einen Vergleich. Von den Unternehmen forderte er daher mehr Kreativität und neue, integrative Konzepte. Eine finanzielle Förderung solcher Ideen schloss Lukas dabei nicht völlig aus: "Wir wollen fördern, aber erst einmal wollen wir fordern."

Vor allem mit Blick auf mehr Vertrauen in eine DRM-Architektur sei öffentlich geförderte Forschung, die auch als neutraler Mittler zwischen verschiedenen Mitspielern aus der Industrie wirke, auf jeden Fall notwendig, urteilten die Veranstalter. "Gerade weil das Vertrauen eine so zentrale Rolle spielt, genügt es nicht, wenn ein einzelnes Unternehmen ein System entwirft", sagte Alexander Rossnagel, wissenschaftlicher Direktor des EMR. Manchmal wirkten Techniker als "Rechtssetzer", ohne es zu wissen, weil durch die Nutzung von DRM-Technik praktisch Recht vollzogen werde. "An diese Technik muss man allerdings gleiche Ansprüche stellen wie an das Recht", kommentierte Rossnagel. Bei DRM-Systemen sei daher jeweils zu fragen, ob sie nur einer einseitigen Interessenvertretung dienten oder aber den Interessenausgleich herstellten, dem auch das Urheberrecht dienen muss. Wenn DRM-Systeme die Wahl- und Handlungsmöglichkeiten der Kunden erweiterten, könnten sie sogar "grundrechtssteigernd" wirken. Angesichts der Debatte um den zweiten Korb der Urheberrechtsnovellierung befürchten die Experten allerdings eher das Gegenteil. So beklagte Roßnagel, es sei eine Art digitale Spaltung in Forschung und Lehre absehbar, da sich Universitäten die Angebote teurer Verlage nicht mehr leisten könnten. Eine Gefahr der Überprivatisierung konstatierte auch Stefan Bechtold, DRM-Experte vom Bonner Max-Planck-Institut zur Erforschung von Gemeinschaftsgütern.

Ein besonders neuralgischer Punkt bei den DRM-Systemen sei, dass sie vom Gesetzgeber ausdrücklich vorgesehene Schranken des Urheberrechts aushöhlen. Für gesellschaftliche erwünschte Ausnahmen bei der Nutzung urheberrechtlich geschützter Werke – zum Beispiel im Bereich Bildung und Forschung – hat man sich laut Bechtold in Europa für ein Key-Escrow-System entschieden. Dabei muss DRM-geschütztes Material auf die explizite Aufforderung des entsprechend privilegierten Nutzers vom Rechteinhaber entschlüsselt werden. In den USA, und übrigens auch in Dänemark und Norwegen, habe man sich dafür ausgesprochen, in diesen Fällen ein "right to hack" zuzulassen. Als "Selbstjustiz" lehnte dies Nora Braun, Justiziarin beim Bundesverband der Phonographischen Wirtschaft (IFPI), allerdings entschieden ab. Interoperabilität nannte Braun dagegen eine wesentliche Voraussetzung, um den schlechten Ruf von DRM aufzumöbeln. Auf DRM so weit wie möglich zu verzichten, wie es der Berliner Informatiker Wolfgang Coy verlangte, ist aus Sicht von Braun schon wegen der zunehmenden Piraterie nicht möglich.

Die Suche nach besseren DRM-Systemen könnte allerdings dauern. Es gebe, meinte Bechtold, durchaus technische Ansätze, die Spannungen zwischen den rechtmäßigen Ansprüchen von Nutzern einerseits und dem Schutzinteresse der Rechteinhaber zu vermindern. Zum Beispiel werde über weniger einseitige "Rights Expression Languages" (REL) in DRM-Systemen nachgedacht. "Derzeit bilden RELs nur die Rechte von Rechteinhabern ab. Die Idee ist nun, ein System zu bauen, das bilaterale Verhandlungen über die Nutzung zulässt." Andere technische Überlegungen gingen dahin, in so genannten "Authorized Domain Architectures" die Nutzungsrechte nicht an Endgeräte, sondern an Nutzer zu binden. Die Beschränkung von iTunes-Musiktiteln auf den iPod wäre damit passé. Aber die Arbeiten in diesen Bereichen sind noch sehr spärlich, bedauerte Bechtold. Dabei könnte das Rechtemanagement in Zukunft noch in einem viel weiteren Sinn an Bedeutung gewinnen. "Mit Ubitious Computing könnte sich unser Verhältnis auch zu Gegenständen radikal verändern", meinte Roßnagel. "Heute stellen wir noch das Eigentum in den Vordergrund, vielleicht werden wir künftig Dinge analog zur Entwicklung bei den immateriellen Gütern nur noch auf Zeit besitzen." Auch die Entwicklung im Softwarebereich zeigt in diese Richtung: Vom einmaligen Verkauf eines neuen Betriebssystems alle fünf Jahre werde sich sein Unternehmen mehr und mehr verabschieden, sagte Götz Brasche vom European Microsoft Innovation Center in Aachen.

Zu den Diskussionen um das geistige Eigentum, zu den juristischen Streitigkeiten um das Urheberrecht und zur Novellierung des deutschen Urheberrechtsgesetzes siehe den Artikel auf c't aktuell (mit Linkliste zu den wichtigsten Artikeln aus der Berichterstattung auf heise online und zu den Gesetzesentwürfen und -texten):

(Monika Ermert) / (jk)