Grundsatzstreit ums Handy-TV

Die ARD will frei empfangbar fürs Handy senden, die Interessenvertretung der Privatsender fordert Grundverschlüsselung für DMB und DVB-H.

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  • Richard Sietmann

Die ARD will möglichst bald mobiles und portables terrestrischesFernsehen einführen und hält DVB-H und DMB als Bestandteil der öffentlich-rechtlichen Grundversorgung für unverzichtbar. Das hat der Senderverbund bereits nach seiner Hauptversammlung am Mittwoch dieser Woche in Leipzig angekündigt. Derzeit sei es allerdings verfrüht, betonte der ARD-Vorsitzende Thomas Gruber, sich schon jetzt auf eines der beiden konkurrierenden Systeme oder auf ein endgültiges Nutzungsszenario festzulegen. "Beide Formate könnten über unsere digitalen terrestrischen Sendernetze ausgestrahlt werden, und zwar frei empfangbar für jedermann".

Auf einem Workshop der Deutschen TV-Plattform am gestrigen Freitag in Berlin warf nun die Geschäftsführerin des Interessenverbandes der privaten Rundfunk- und Fernsehanbieter (VPRT), Ursula Adelt, den öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten vor, bei den neuen Übertragungsmöglichkeiten für Multimediangebote, Datendienste und Bewegtbilder mit Mitteln aus den Rundfunkgebühren einen Markt besetzen zu wollen, der mit der Grundversorgung nichts mehr zu tun habe. Es könne nicht sein, dass die öffentlich-rechtlichen Anstalten mit Mitteln für die digitale Infrastruktur versorgt würden oder Gebühreneinnahmen umwidmeten, um sich einen Wettbewerbsvorteil gegen die Privaten zu verschaffen. Diese seien nicht in der Lage, den Technikumstieg und die Diversifizierung der Übertragungswege aus Werbeeinnahmen zu refinanzieren.

"Die Wirtschaftlichkeit von DMB und DVB-H wird ganz extrem davon abhängen, ob man die Fehler vermeidet, die man anderswo begangen hat", verwies Adelt auf das Beispiel der Digitalisierung des Kabelfernsehens. "Man muss mit einer Grundverschlüsselung starten." Nur mit dem Schutz über eine gebührenpflichtige Freischaltung der Programme würden neue Geschäftsmodelle attraktiv und interaktive Anwendungen auf den Markt kommen. "Wir werden es nicht über die Werbe-Refinanzierung hinkriegen, und wir werden es auch nicht hinkriegen, wenn der öffentlich-rechtliche Rundfunk mit neuen Angeboten free-to-air diesen Markt besetzt".

Die ARD dagegen sieht im mobilen Fernsehen lediglich eine zeitgemäße Anpassung an die techische Entwicklung. Schon bei der analogen Ausstrahlung habe man nie einen Unterschied zwischen stationären und portablen Fernsehempfängern gemacht, und in gleicher Weise diene auch das digitale terrestrische Sendernetz als universelles Transportmittel für Rundfunkdienste aller Art, um den Verbrauchern einen direkten und unabhängigen Informationszugang zu sichern. "Mobile Broadcast ist Rundfunk, für uns ist das kein neues Geschäftsmodell", stellte Oliver Werner vom WDR auf der Veranstaltung klar. "Wir haben einen Programmauftrag, und der ist unabhängig vom Übertragungsweg."

Der bei der ARD für die Digitalisierung und für DVB zuständige Koordinator Michael Albrecht forderte auf der Veranstaltung die Marktteilnehmer auf, sich an einen Tisch zu setzen "und nach einer Balance für ihre Modelle zu suchen". Er hält es für widersinnig, die frei empfangbaren Programme von ARD und ZDF, aber auch von RTL, Pro7 und Sat1 mit einer Grundverschlüsselung von den neuen Übertragungswegen fernzuhalten, weil sie bereits jetzt den größten Teil der Nachfrage nach Information und Unterhaltung in diesem Land abdecken. "Wenn man eine dieser Anbietergruppen ausschließen oder klein halten will", meinte Albrecht, "geht das am Marktinteresse vorbei."

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(Richard Sietmann) / (jk)