Hacking at Random: Hackercamp mit vollem Programm

Wenn die Musikwelt den 40. Geburtstag von Woodstock feiert, erfreut sich die Hackerwelt an einem eigenen Jubiläum: Mit Hacking at Random kann die niederländische Version der Sommercamps auf 20 Jahre "Spaß am Gerät unter freiem Himmel" zurückblicken.

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Von
  • Detlef Borchers

Wenn die Musikwelt den 40. Geburtstag von Woodstock feiert, erfreut sich die Hackerwelt Mitte August an einem eigenen Jubiläum: Mit Hacking at Random (HAR) kann die niederländische Version der Sommercamps auf 20 Jahre "Spaß am Gerät unter freiem Himmel" zurückblicken. In der Nacht zum Freitag wurde das Programm des Hackercamps veröffentlicht.

Offensichtlich vom Woodstock-Jubiläum beflügelt präsentiert sich die Website von HAR 2009 im Flower-Power-Stil: Ein bezopftes Wesen liegt auf einer Wiese, einen Laptop vor sich, umrankt mit Blumen, aus denen Netzwerkstecker blühen. Über der Szene breiten sich Sonnenstrahlen aus, die auch Funkwellen sein können: WLAN, DECT oder hausgemachtes GSM, das ist die Frage. Tatsächlich spielen Pflanzen bei dem Hackercamp mit 20-jähriger Tradition eine eher randständige Rolle im Programm: Ein einziges Referat über Hacking with Plants am ersten Tag muss ausreichen, den Rest soll die Natur von "De Paasheuvel" übernehmen, einem ehemaligen Feriengelände der sozialistischen Arbeiterjugend.

Ein Highlight der viertägigen Veranstaltung dürften tatsächlich die ominösen Wellen sein. Das GSM-Netz wird 20 Jahre nach seinem Start (in Deutschland) in einer Reihe von Vorträgen am Samstag kritisch observiert. So wird openbsc präsentiert, ein Software-Suite, mit der man eine eigene GSM-Basisstation errichten können soll. Ein Vortrag zur Analyse des GSM-Verkehrs auf Basis von GNUradio und ein weiterer zum Verschlüsselung im GSM-System runden den Schwerpunkt ab.

Einen großen Raum nehmen außerdem "Selbstschutz"-Themen ein, die unter dem Rubrum "gegen die zunehmende Überwachung" laufen. Das Spektrum reicht von der Erkennung (und dem Bau von Erkennern) von RFID-Lauschern bis hin zur Frage, wie man sich gegen die zunehmende Überwachung zur Wehr setzt. In diesem Rahmen stellt die US-amerikanische Bürgerrechtsorganisation EFF ihr Projekt Surveillance Self-Defense vor, ein Vortrag, zu dem etliche Hacker aus Übersee erwartet werden. Erstmals dabei sind in diesem Kontext auch Vorträge über die sozialen Netzwerke und diversen Mashup-Dienste, die von Hackern häufig belächelt werden. Sie warten aber mit zunehmend besseren Angeboten auf, die die Privatsphäre verglasen.

Zum Selbstschutz muss auch das Projekt Wikileaks gerechnet werden, das geheime Dokumente wie etwa die diversen Sperrlisten mit angeblich kinderpornografischen Webseiten veröffentlicht. Wikileaks will die HAR 2009 benutzen, um den Spieß noch besser auszurichten oder umzudrehen und startet auf dem Open Air-Treffen den Wettbewerb um die "Most Wanted Leaks of 2009".

Obwohl die Konferenzsprache durchgehend Englisch ist, sind auch niederländische Themen vertreten, etwa die Anti-Piraterie-Aktivitäten der Lobbyorganisation BREIN, die das Usenet säubern möchte. Die umstrittene Organisation will sich dabei in einer Diskussionsrunde den Kritikern stellen.

Mit Hacking at Random begeht die niederländisch-deutsche Tradition der Gezelligheid und Gemütlichkeit unter freien Himmeln ihr etwas bemüht gerechnetes 20. Jubiläum. Die erste Veranstaltung startete im Jahr 1989 noch sehr Indoor-orientiert im Amsterdamer Klub Paradiso, als "Galactic Hacker Party" nach dem Vorbild der Kongresse des Chaos Computer Clubs. 1993 zog man mit "Hacking at the Ende of the Universe" (HEU) erstmals nach draußen. Es folgten 1997 "Hacking in Progress" (HIP), 2001 Hacking at large (HAL) und 2005 What the Hack. Die Idee der Sommercamps wurde schließlich auch auf deutscher Seite "reimportiert" und zuletzt im Jahre 2007 unweit von Berlin umgesetzt.

Hüben wie drüben wird das Zelten mit Laptop abseits der Vortragsangebote traditionell von zahlreichen Aktivitäten begleitet. Es gibt den Einbruchswettbewerb "Capture the Flag", das Lockpicking, verschiedene Rätselforen und Bastel-Workshops, dazu Lightning-Talks für agile Pioniere. Eltern-Kind-Gruppen sind ebenso im Angebot wie selbstorganisierte Ausflüge in die Umgebung. Empfehlenswert ist ein Ausflug zum nahbei gelegenen Dorf der Untergetauchten, in dem bis zum Oktober 1944 etwa 180 Juden, Widerstandskämpfer und abgeschossene Piloten der Alliierten lebten.

Die Veranstalter des Hacking at Random rechnen mit 2500 Teilnehmern und hoffen auf 3000, die in den verschiedenen Dörfern ihre Zelte aufschlagen. Das Sommercamp der Hacker kostet 205 Euro für vier Tage und liegt damit preislich nahe bei dem, was niederländische Campingplätze in der Hochsaison verlangen. Tageskarten gibt es nicht. Bis zum 20. Juli gibt es eine Ermäßigung von 20 Euro.

Nota Bene: Diese Meldung ist vom Wunsche geprägt, dass alle handelsüblichen Journalisten von der Veranstaltung berichten können, nicht nur heise-online-Vertreter aus der norddeutschen Tiefebene. Die einschlägigen Bestimmungen für die Zulassung von Berichterstattern sind diesmal sehr restriktiv gehalten, schließlich kann jeder Bloggen, Twittern, Flickern und Verlinken. Wie forderte nicht zuletzt die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel in ihrer Festrede zur Gründung einer Journalistenschule, dass Menschen auch immer wieder dazu zu animiert werden sollen, "ihre eigene Endlichkeit durch das eigene Tun mitzuerleben." (Detlef Borchers) / (jk)