Halbleiter-Industrie: Verbot von Ewigkeitschemikalien gefährdet Chip-Ambitionen

Deutschland und vier andere europäische Staaten drängen auf einen Bann kaum mehr rückholbarer Fluor- und Alkylsubstanzen. Chip-Hersteller laufen Sturm dagegen.

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Silizium-Wafer mit aufgedruckten Mikroprozessoren.

(Bild: asharkyu/Shutterstock.com)

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In der EU wird über ein Verbot sogenannter Ewigkeitschemikalien diskutiert. Die Europäische Chemikalienagentur (ECHA) machte schon im Februar einen einschlägigen Appell von Deutschland, Dänemark, den Niederlanden, Norwegen und Schweden publik. Sie argumentierten, dass sonst die Konzentration solcher Perverbindungen (PFC) sowie per- und polyfluorierter Alkylsubstanzen (PFAS) weiter zunähmen sowie so "ihre toxischen und umweltschädlichen Wirkungen nur schwer rückgängig zu machen sein werden". Verbände der Halbleiterindustrie machen gegen diese Initiative nun mobil. Sie sehen durch einen solchen potenziellen Bann die Ziele des EU-Chip-Gesetzes in Gefahr, wonach der Anteil der europäischen Produktionskapazität für Halbleiter von derzeit neun bis 2030 auf mindestens 20 Prozent des weltweiten Marktes steigen soll.

Chip-Hersteller arbeiten etwa beim Plasmaätzen mit Hexafluorethan (C2F6) und benötigen andere PFAS als Prozessgase und für Reinigungsvorgänge. Auch in vielen anderen Industrien spielen Ewigkeitschemikalien bislang noch eine große Rolle. Behördenschätzungen zufolge dürften ungebremst in den nächsten 30 Jahren rund 4,4 Millionen Tonnen solcher Substanzen in die Umwelt gelangen. "Aufgrund ihrer chemischen Zusammensetzung bauen sich PFAS in der Umwelt über sehr lange Zeiträume nicht ab", weiß Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne). Diese sei zwar in der Anwendung oft nützlich, könnten aber in der Natur und im menschlichen Körper auf Dauer Schäden verursachen. Sie stehen etwa im Verdacht, die Fruchtbarkeit zu reduzieren und bestimmte Krebserkrankungen auszulösen.

Halbleiter könnten nicht hergestellt werden, wenn PFAS nicht an mehreren Stellen in der Lieferkette verfügbar seien, hält der Verband Semi Europe dagegen. Zu seinen Mitgliedern zählt neben den US-Branchengrößen Intel und GlobalFoundries auch der niederländische Ausrüsters ASML. Der Lobbygruppe zufolge "müssen wir herausfinden, wie wir PFAS verantwortungsvoll begrenzen, kontrollieren und untersuchen und gleichzeitig die wesentlichen Verwendungszwecke definieren und aufrechterhalten können". Die für den Chip-Sektor vorgesehene Übergangszeit von 12 Jahren reiche nicht aus. Semi Europe gibt laut dem Magazin Politico auch zu bedenken, dass ein Verbot die "Wettbewerbsposition der EU im Vergleich zu Wettbewerbern ohne ähnliche Beschränkungen entscheidend schwächen würde".

Der Verband der europäischen Halbleiterindustrie (ESIA) forderte die EU laut dem Bericht auf, "eine umfassende Ausnahmeregelung" für die Branche in Betracht zu ziehen. Sonst werde die Fähigkeit zur Herstellung in der EU oder sogar zum Import von Halbleitern massiv eingeschränkt. Führende ESIA-Mitglieder sind Infineon, NXP, STM Microelectronics und Bosch. Im September machte sich zuvor schon die neu gegründete European Semiconductor Regions Alliance (ESRA) gegen weitgehende PFAS-Einschränkungen stark, in der auch zahlreiche deutsche Bundesländer und über sie die dort sitzenden Halbleiterfirmen vertreten sind. "PFAS-Ersatz ist auch in sehr anspruchsvollen Umgebungen sinnvoll", unterstreicht dagegen Christopher Christuk, Präsident von Transene. Dabei handelt es sich um einen Ausrüster der Elektronikindustrie, der PFAS-freie Materialien anbietet. Die Auswirkungen auf den Umsatz hält Christuk für minimal. Prinzipiell erachtet auch Infineon Maßnahmen zur PFC-Reduzierung für einen wichtigen Hebel etwa zum Senken der CO₂-Emissionen.

(tiw)