"Haltet das Internet offen!": Appell gegen Sanktionen in Internet-Infrastruktur

Die Diskussion um den richtigen Umgang mit Sanktionen gegen die Internetinfrastruktur läuft. Ein Internetpionier fordert ein Bekenntnis zu einem offenen Netz.

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(Bild: asharkyu/Shutterstock.com)

Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Monika Ermert

Die Infrastruktur des Netzes sollte nicht Spielplatz für politische Angriffe oder Sanktionen sein, lautet ein Aufruf des deutschen Internetpioniers und Wissenschaftlers bei der Internet-Adressverwaltung RIPE Daniel Karrenberg. Darin wendet er sich an diejenigen, die die Netze betreiben. In dem Appell, den er zur Unterschrift aufgelegt hat, beschwört Karrenberg die Community, nicht nur auf Eingriffe in die Zusammenschaltung von Netzen zu verzichten, sondern alles zu tun, um das Funktionieren des Netzes zu gewährleisten.

"Wir wissen alle, das Internet wird für Zwecke genutzt, die wir selbst ablehnen", schreibt Karrenberg in dem kurzen Text. Das dürfe aber nicht zum Anlass genommen werden, die Infrastruktur des globalen Netzes selbst zu beschädigen und damit auch gute, oder in vielen Fällen gar lebenswichtige Aktivitäten zu verhindern, für die es heute genutzt wird.

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Die von Karrenberg initiierte Unterschriftensammlung setzt sich damit deutlich vom praktisch zeitgleich aufgelegten Aufruf eines breiteren Bündnisses von Technikern und Politikern ab. Diese laut den Organisatoren vom niederländischen EU-Abgeordneten Bart Groothuis initiierte Erklärung, befürwortet gegen das russische Militär und Regierungsstellen gerichtete Routing- und DNS-Filterungen.

Karrenberg schrieb in einer ersten Reaktion, die beiden Initiativen seien unabhängig voneinander entstanden. Die ausführliche Analyse möglicher Kollateralschäden im Falle breiter Sanktionen auf BGP- oder DNS-Ebene sei gut. Neue freiwillige Mechanismen, die letztlich auf eine koordinierte Zerstörung von Konnektivität auf der Ebene von IP-Verkehren führen würden, würden kaum positive Ergebnisse erzielen, meint er. Auch dabei müssten unbeabsichtigte Nebenwirkungen sehr genau analysiert werden. Dies während der Krise und überstürzt in Gang zu setzen, hält der Netzpionier für gefährlich.

An diesem Punkt könnten sich beiden Initiativen doch noch treffen. Denn auch das Multi-Stakeholder-Bündnis will Verfahren, um für künftige Katastrophen oder gar Kriege gewappnet zu sein.

Erst am gestrigen Donnerstag veröffentlichte Karrenbergs Arbeitgeber, die RIPE NCC, eine ausführliche Antwort auf die Bitte der Ukraine um direkte Sanktionen gegen Russland.

Der Entzug von Adressraum hätte keine direkten Effekte auf den Datenverkehr in Russland, schreibt der Geschäftsführer, Hans Petter Holen. Zugleich könne der stabile Betrieb des weltweiten Netzes unvorhersehbare Schäden davon tragen. Man spiele damit möglicherweise sogar in die Hände derer, die gegen ein offenes Internet agierten.

Trotz dieser Absage sicherte man den Netzadministratoren in der Ukraine Unterstützung, auch finanzieller Natur zu, um das Netz in der Ukraine aufrechtzuerhalten. Auch die private Netzverwaltung ICANN hatte einen Fonds von einer Million Dollar aufgesetzt, um die Ukraine – sowie mögliche künftige Opfer – beim Betrieb ihres Netzes zu unterstützen.

(mho)