Hamburg: Bürgerschaft verschlimmbessert Transparenzgesetz

Ämter sollen künftig Namen und Anschrift von Antragstellern auf Akteneinsicht gegenüber Betroffenen fallweise offenlegen, was Journalisten gefährden könnte.

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Hamburg: Bürgerschaft verschlimmbessert Transparenzgesetz

Das Hamburger Transparenzportal im Internet

(Bild: hamburg.de)

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Hamburg galt mit dem 2012 in Kraft getretenen Transparenzgesetz lange als Vorbild für Informationsfreiheit auch in anderen Bundesländern. Nun erhält dieses Image Kratzer mit einer Reform der Bestimmungen für das "gläserne Rathaus", die die Bürgerschaft der Hansestadt Mitte voriger Woche ohne weitere Aussprache mit den Stimmen der Regierungsfraktionen von SPD und Grünen sowie CDU und FDP beschlossen hat. Demnach sollen Ämter künftig Namen und Anschrift von Antragstellern auf Akteneinsicht gegenüber Betroffenen in einigen Bereichen offenlegen.

Der ursprüngliche, von den Abgeordneten noch in einigen Punkten überarbeitete Gesetzentwurf des Senats war an diesem Punkt noch schärfer gefasst gewesen. Er sah bei Auskunftsanträgen, die personenbezogene Daten, Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse oder "das geistige Eigentum Dritter" berühren, sogar eine klare Pflicht vor, auf Nachfrage Dritten gegenüber die Identität des Anfragenden zu offenbaren.

Gegen diese Initiative waren Bürgerrechtsorganisationen Sturm gelaufen, da sie Medienvertreter und die Pressefreiheit in Gefahr sahen. "FragdenStaat" etwa warnte, dass so auch Daten von Journalisten, die "Anfragen zu zwielichtigen Unternehmen oder Rechtsextremen an die Verwaltung stellen", bei ebendiesen landen könnten. Der investigative Reporter Ján Kuciak sei voriges Jahr in der Slowakei ermordet worden, nachdem eine Behörde seine Adresse bei einer Informationsanfrage weitergegeben habe. "Hier ist absolute Vorsicht geboten", hatte auch der Hamburgische Informationsfreiheitsbeauftragte Johanes Caspar betont. "Es darf nicht sein, dass der Anfragende mit seinen Daten für die Auskunft bezahlen muss."

Mit den Korrekturen der Volksvertreter obliegt es nun dem Ermessen der Behörden, ob sie Namen und Anschrift eines Auskunftsersuchenden weitergeben. Dabei müssen sie auch prüfen, ob nicht das Interesse des Antragstellers an der Geheimhaltung seiner Identität überwiegt.

Appelle aus der Zivilgesellschaft oder von Caspar, mehr Transparenz für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk in Norddeutschland zu schaffen oder die Ausnahme des gesamten Komplexes des Verfassungsschutzes von den Gesetzespflichten zu streichen, griffen der Senat und die Bürgerschaft nicht auf. Zudem entfällt nun die Anforderung an die Behörden, die begehrten Informationen "unverzüglich" zugänglich zu machen. Es greift so nur noch die allgemeine Frist von einem Monat. Sollten Dritte angehört werden müssen, besteht künftig wegen des damit verbundenen "erhöhten Zeitbedarfs" eine Verlängerungsoption auf drei Monate.

Dazu kommt erstmals eine Ausnahme von der Informationspflicht, soweit und solange dieser etwa der Patent- oder Urheberrechtsschutz entgegenstehen. Die veröffentlichungspflichtige Stelle muss beim Beschaffen einschlägiger Informationen aber zumindest darauf hinwirken, "dass ihr die erforderlichen Nutzungsrechte eingeräumt werden".

Andererseits wird von Anfang 2021 an auch die mittelbare Staatsverwaltung, zu der etwa die Handelskammer oder die öffentlichen Hochschulen gehören, wichtige Informationen von öffentlichem Belang verpflichtend in das Transparenzportal einstellen müssen. Gerichte hatten diese Bereiche öffentlichen Rechts nach Klagen etwa des Chaos Computer Clubs (CCC) bislang außen vor gesehen. Die Parlamentarier haben den Senat zudem aufgefordert, das Transparenzportal übersichtlicher zu gestalten und die Bürger mit einer öffentlichen Kampagne noch stärker auf das Angebot aufmerksam zu machen.

Caspar begrüßte bei der Präsentation seines Tätigkeitsberichts Informationsfreiheit für 2018/19, dass Bürger mittlerweile "in erheblichem Maße" ihre Rechte zur Akteneinsicht nutzten und "die Ablehnung von Anträgen auf Veröffentlichung oder auf Auskunftserteilung nicht mehr einfach hinnehmen". Sie riefen immer öfter die Verwaltungsgerichte an, was zu einer größeren Rechtssicherheit führe. Die Richter schlügen dabei teils "Breschen in das Ablehnungsdickicht". Insgesamt sei der Einsatz für mehr Transparenz in der Verwaltung, der demokratisch-rechtsstaatliche Prozesse beflügele, "ein erfolgreicher, aber auch sehr steiniger Weg". (tiw)