Hamburg: Das bedeutendste IT-Bundesland?

(Bild: Lapa Smile/Shutterstock.com)
Hamburg soll die smarteste Stadt Deutschlands und Hauptstadt der Computerspiele sein. Zudem hat die Stadt die höchste Dichte an ITlern unter den Bundesländern.
Wer an Hamburg denkt, sieht riesige Schiffe, das sündige St. Pauli und die Elbphilharmonie. Doch folgen wir einer Auswertung des Branchenverbands Bitkom sollten einem eher Computer, Software und Online-Spiele in den Sinn kommen. Denn demnach hat Deutschlands zweitgrößte Stadt die höchste Dichte an IT-Spezialisten unter allen 16 Bundesländern. So hat der Bitkom Hamburg auch zur "smartesten Stadt" Deutschlands gekürt mit 79,2 von 100 möglichen Punkten im Smart City Index. Er zeigt, wie sehr deutsche Städte auf digitale Technik setzen.
Bundesweit kommen auf 100.000 sozialversicherungspflichtige Beschäftigte 2600 IT-Experten. Deren Anteil steigt, denn im Vorjahr waren es erst 2400. Im Vergleich unter den Bundesländern hat Hamburg vor Berlin und Hessen den höchsten Anteil an IT-Experten: Hier sind es 4,2 Prozent und damit deutlich mehr als im Durchschnitt. Berlin folgt darauf mit 3,5 Prozent vor Hessen mit 3,3 Prozent. Hamburg hat im Vergleich zum Vorjahr um 100 IT-Experten pro 100.000 Beschäftigten zugelegt. Mecklenburg-Vorpommern stagniert und trägt mit 0,9 Prozent die rote Laterne.
"Digitalisierung ist in Hamburg Chefsache"
Woher kommt das? "Die politischen Rahmenbedingungen sind gut, der Senat hat früh eine Digitalstrategie aufgestellt und entwickelt diese kontinuierlich weiter. Und Digitalisierung ist in Hamburg Chefsache", sagt Lena Flohre, Referentin Landespolitik im Bitkom. Der Chief-Digital-Officer sei direkt an die Senatskanzlei angebunden, wodurch innovative Projekte schnell angestoßen und erfolgreich vorangetrieben würden wie etwa das Testfeld für autonomes Fahren in der Hamburger City.
Der Smart City Index wird in fünf Themenfeldern vergeben, in Mobilität (96,8 Punkte) und Gesellschaft (93,4 Punkte) liegt Hamburg ganz weit vorne. Die Hansestadt sei etwa Vorbild in "Multimodalität": Mit "hvv switch" gibt es eine ÖPNV-App, die es erlaubt, die schnellste Route aus allen zur Verfügung stehenden Verkehrsmitteln inklusive Sharing-Angeboten zu wählen und Tickets zu buchen.
Die Bewohner der Stadt könnten sich außerdem besonders gut digital informieren und mitreden: Neben einem umfangreichen Transparenzportal und einer Bürgerbeteiligungsplattform gibt es auch die Möglichkeit, die Debatten der Hamburgischen Bürgerschaft live aus dem Plenum zu streamen. Das seien zwei wesentliche Gründe dafür, dass Hamburg seinen Titel als smarteste City aus dem vergangenen Jahr verteidigen konnte.
Bayern hat die meisten ITler
Absolut betrachtet gibt es in Bayern mit rund 176.500 die meisten Beschäftigten in IT-Berufen in einem deutschen Bundesland. Jeder fünfte deutsche IT-Experte arbeitet in Bayern und deren Hauptstadt München ist mit 8 Prozent die Stadt in Deutschland mit den meisten IT-Fachkräften. Prozentual auf die Bevölkerungsdichte bezogen ist jedoch Hamburg das Bundesland mit der höchsten Dichte an IT-Experten. Absolut sind es 42.000. Diese hohe Dichte zeigt vor allem eins: Der Stadtstaat hat zukunftssichere Jobs. Mehr als jedes andere Bundesland.
Wie erklärt sich die hohe Dichte IT-Experten? "Unsere Wirtschaftsstruktur ist ausschlaggebend", sagt Michaela Ölschläger, Leiterin des Geschäftsbereichs Innovation und Umwelt in der Handelskammer Hamburg. In der Hansestadt gibt es in der IT-Industrie eine gesunde Mischung aus Niederlassungen von Großunternehmen wie Google, SAP, Lufthansa Industry Solutions aber auch einen sehr erfolgreichen Mittelstand sowie mittelständische Familienunternehmen und eine Vielzahl an IT-Freiberuflern.
Auch in Hamburg: Fachkräftemangel
In den reinen IT-Unternehmen arbeiten etwa 10.000 IT-Profis, 32.000 sind es in IT-Anwenderunternehmen. "Hamburg ist stark in Online-Spielen, der Softwareentwicklung, vor allem aber in IT-Services und Beratung", sagt Ölschläger. Von den rund 10.000 IT-Unternehmen sind 4000 in diesem Segment tätig.
IT habe Zukunft, deshalb findet sie es gut, dass ihre Stadt ganz vorne ist in den Rankings. "Es gibt aber auch großen Handlungsbedarf", mahnt Ölschläger an, denn aktuell gebe es 1400 IT-Stellen, die nicht besetzt werden können, weil die Nachfrage größer sei als das Angebot. Diese Zahlen stammen aus dem Fachkräftemonitor fkm-hamburg.de. Nach dessen Prognose geht die Schere in den nächsten Jahren etwas zu, dann bis zum Ende dieses Jahrzehnts auf den Wert von heute wieder auf.
Deutschlands Gaming-Hauptstadt?
In Hamburg gibt es rund 150-Games-Unternehmen, das ist ebenfalls ein Spitzenwert in Deutschland. "Hamburg ist Deutschlands Gaming-Hauptstadt", sagt Michael Zillmer, Mitbegründer und Chief Operating Officer von InnoGames, einem Studio für Spieleentwicklung und Betreiber von browserbasierten und mobilen Online-Games. "Ausschlaggebend für die Rolle von Hamburg als Hauptstadt der Spiele war neben der frühen Einführung einer gezielten Prototypen-Förderung, dem Game-Master-Studium an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften sicher auch etwas Glück", sagt Zillmer.
Vor gut zehn Jahren siedelten sich neben InnoGames die Spieleentwickler und -betreiber Bigpoint und Goodgame-Studios an. Diese Faktoren legten den Grundstein für das heute führende Ökosystem als Spiele-Hochburg Hamburg. Die Entwicklung von Computerspielen wird übrigens nach längerer Pause seit diesem Jahr in Hamburg wieder gefördert – und zwar mit 520.000 Euro pro Jahr. Dazu kann auch noch was von der Förderung des Bunds abfallen, der bis 2023 50 Millionen Euro für die Gamesbranche in Deutschland in die Hand nehmen will [2].
"Games sind komplexer als man vielleicht glaubt", sagt Zillmer. Das mache die Arbeit daran auch für Spezialisten aus anderen Bereichen so interessant. Möglicherweise sei es eventuell in der Hansestadt etwas leichter an IT-Fachkräfte zu kommen als in anderen Städten, weil es prozentual mehr gibt. "Wir rekrutieren seit vielen Jahren international", so Zillmer. Die rund 400 Mitarbeiter von InnoGames stammen aus gut 30 Nationen.
(axk [3])
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