Hamburgs Datenschützer und Ärztekammer gegen schärfere Überwachungsgesetze

"Die Gesamtheit der staatlichen Überwachungsforderungen zeugt von einer Maßlosigkeit des Sicherheitsdenkens, das in der Gefahr steht, die Freiheitsrechte der Bevölkerung auf der Strecke zu lassen", meint Hamburgs Datenschutzbeauftragter.

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  • dpa

Hamburgs Datenschützer Hartmut Lubomierski hat die geplante Verschärfung der Telefonüberwachung heftig kritisiert. Die Länder "rasten in Sicherheitshysterie aus", erklärte Lubomierski. Sie gingen mit ihrem Plan, Telekommunikationsverbindungsdaten für ein Jahr speichern zu wollen, weit über das hinaus, was EU und Bundesregierung forderten. "Die Gesamtheit der staatlichen Überwachungsforderungen zeugt von einer Maßlosigkeit des Sicherheitsdenkens der Sicherheitspolitiker, das in der Gefahr steht, die Freiheitsrechte der Bevölkerung auf der Strecke zu lassen." Auch die Hamburger Ärztekammer kritisierte am Donnerstag das geplante Gesetz.

Der Bundesrat beschäftigt sich an diesem Freitag in einem ersten Durchgang mit dem Gesetz zur Neuregelung der Telekommunikationsüberwachung und anderer verdeckter Ermittlungsmaßnahmen. Dabei berät die Länderkammer auch über Vorschläge aus den eigenen Reihen, die über die Pläne der Bundesregierung hinausgehen. Unter anderem soll die Speicherdauer von Verkehrsdaten beim Telekommunikationsanbieter von sechs Monaten auf ein Jahr verlängert werden. Auch sollen verdeckte Online-Durchsuchungen und zur Ermittlung von Zeugen eine Verkehrsdatenerhebung ermöglicht werden.

Für Hamburgs Datenschützer Lubomierski geht das deutlich zu weit. "Nun sollen sämtliche Kommunikationsdaten aller 80 Millionen Bürger – völlig unabhängig vom Vorliegen einer konkreten Gefahr oder eines konkreten Tatverdachts – pauschal für ein Jahr auf Vorrat gespeichert werden." Jede Telefon- und E-Mail-Verbindung solle erfasst und gespeichert werden. Zusammen mit der Online- Überwachung sei dies "ein frontaler Angriff des Staats auf die Privatsphäre aller Bürger".

Der Präsident der Hamburger Ärztekammer, Frank Ulrich Montgomery, forderte die Vertreter der Hamburgischen Landesregierung im Bundesrat auf, den vorliegenden Gesetzentwurf der Bundesregierung abzulehnen. "Mit dem Gesetzentwurf startet die Regierung einen Angriff auf das Patienten-Arzt-Verhältnis, der von uns Ärzten nicht hingenommen wird", erklärte Montgomery. Ärzte unterlägen aus gutem Grund der Schweigepflicht. "Durch die Hintertür soll dieser Patientenschutz wieder einmal ausgehebelt werden. Das lassen wir nicht zu."

FDP-Chef Wieland Schinnenburg forderte den Hamburger Senat ebenfalls auf, "im Bundesrat gegen alle Versuche einzutreten, die Vertraulichkeit der Gespräche von Ärzten, Rechtsanwälten, anderen Berufsgeheimnisträgern und Journalisten einzuschränken". Den Plänen zufolge werde zwar Geistlichen, Anwälten und Parlamentsangehörigen ein uneingeschränkter Schutz vor Überwachung gegeben, nicht aber anderen Berufsgeheimnisträgern und Journalisten. Bei diesen seien Überwachungsmaßnahmen erlaubt, wenn sie nicht unverhältnismäßig sind.

Zu den Auseinandersetzungen um die erweiterte Anti-Terror-Gesetzgebung, die Anti-Terror-Datei sowie die Online-Durchsuchung siehe auch:

Zur Auseinandersetzung um die Vorratsspeicherung sämtlicher Verbindungs- und Standortdaten, die etwa beim Telefonieren im Fest- oder Mobilfunknetz und bei der Internet-Nutzung anfallen, siehe auch:

( dpa) / (jk)