Harmonic Drive: Wie ein taumelndes Getriebe für präzise Roboterbewegungen sorgt

Roboteraktuatoren müssen hohe Drehmomente erzeugen, zugleich aber leicht und kompakt sein. Das ideale Einsatzgebiet für das taumelnde Getriebe Harmonic Drive.

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Einzelteile eines Harmonic Drives

Das taumelnde Getriebe Harmonic Drive besteht lediglich aus drei Hauptkomponenten: Circular Spline, Flexspline und Wave Generator (v. l. n. r.).

(Bild: Harmonic Drive SE)

Lesezeit: 3 Min.
Inhaltsverzeichnis

Im elektrischen humanoiden Roboter Atlas und dem Roboterhund Spot von Boston Dynamics, im Chirurgie-Roboter Da Vinci sowie in den Robotern Curiosity und Perseverance der NASA wird das taumelnde Getriebe Harmonic Drive genutzt, um mit elektrischen Aktuatoren möglichst präzise Bewegungen bei hohem Drehmoment hinzubekommen. Und auch bei Industrierobotern, etwa von Fanuc, Kuka und Universal Robots, sind Harmonic Drives kaum wegzudenken. Doch woraus besteht das Getriebe, das eine gewollte Taumelbewegung verursacht? Und wie funktioniert es?

Die Anfänge des Harmonic Drives liegen bereits einige Jahrzehnte zurück. 1955 wurde es von dem US-amerikanischen Erfinder C. Walton Musser entwickelt. Er war sehr kreativ und hielt einige Patente, etwa für Servolenkungssysteme, rückstoßfreie Gewehre und pneumatische Aufblasvorrichtungen für Rettungswesten sowie für verschiedene Entwicklungen, die in Schleudersitzen für militärische Strahltrieb-Flugzeuge zum Einsatz kamen.

Die ersten Harmonic Drives wurden in den frühen 1960er-Jahren erstmals kommerziell verwendet. Dabei handelt es sich um ein Getriebe, das lediglich aus drei Hauptkomponenten besteht: einem Wellengenerator (Wave Generator), einer flexiblen Kerbverzahnung (Flexspline) und einer kreisförmigen Kerbverzahnung (Circular Spline).

Der Wave Generator ist leicht elliptisch ausgeführt und hat an der Außenkante einen Kugellagerring. Er dient als Eingangsnabe für den Antrieb. Der Flexspline ist becherförmig, flexibel und besitzt eine Außenverzahnung. Er verformt sich allerdings ausschließlich radial, bleibt ansonsten aber torsionssteif. Der Circular Spline ist im Wesentlichen ein starrer Ring mit einer Innenverzahnung. Die Anzahl seiner Innenzähne ist um zwei höher als die Anzahl der Außenzähne des Flexsplines. Alle drei Komponenten werden ineinandergeschoben und bilden so das Harmonic Drive.

Sobald sich der Wave Generator dreht, erzeugt die flexible Ellipse innerhalb einer Umdrehung eine Taumelbewegung, die auf den flexiblen Flexspline übertragen wird. Die Außenzähne des Flexspline berühren dadurch zu jedem Zeitpunkt lediglich zu 30 Prozent die Innenverzahnung des Circular Splines.

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Der Circular Spline ist gemeinhin fest mit einem Gehäuse verbunden. Durch die kontinuierliche Wellenbewegung dreht sich der Flexspline innerhalb der kreisförmigen Verzahnung, dessen Drehbewegung dabei entgegen dem Antrieb verläuft.

Durch eine hohe Anzahl an Zähnen lassen sich mit dem Harmonic Drive sehr große Untersetzungen realisieren und damit auch hohe Drehmomente erreichen, wie sie für Roboteraktuatoren von Vorteil sind. Außerdem können durch eine unterschiedliche Anzahl von Zähnen sehr einfach verschiedene Untersetzungen für alle denkbaren Anwendungsszenarien realisiert werden.

Hinzu kommt, dass ein solches Getriebe durch seine wenigen Bauteile sehr leicht und kompakt ausfällt, was ebenfalls die Nutzung in Roboteraktuatoren begünstigt. Zudem ist das Getriebe nahezu wartungsfrei und langlebig. Das ergibt eine Zuverlässigkeit, wie sie für Robotertechnik benötigt wird.

Für die Verwendung in Robotern kommt allerdings noch ein weiterer, entscheidender Faktor hinzu: Das Getriebe arbeitet spielfrei, denn zwischen den Zähnen und der Innenverzahnung tritt keinerlei Spiel auf. Dadurch lassen sich über einen Elektromotor sehr fein abgestimmte und damit präzise Bewegungsvorgänge umsetzen. Entsprechend wird das Harmonic Drive in elektrischen Aktuatoren von Robotern genutzt, um auch kleinste Bewegungen reproduzierbar, mit hoher Präzision, hohem Drehmoment und auf kleinstem Raum zu ermöglichen.

(olb)