Helmut Newton und Lehrmeisterin Yva in Nordhorn

Newton in Nordhorn: Zwischen dem Fotokünstler Helmut Newton und der niedersächsischen Kreisstadt gibt es eine künstlerische Verbindung. Das Stadtmuseum bringt in einer Ausstellung den Fotostar mit seiner vergessenen Lehrmeisterin Yva in Verbindung.

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Von
  • Elmar Stephan
  • dpa

(Bild: Stadtmuseum Nordhorn)

Eingeweihte wissen es schon länger: Der wegen seiner provokativen Aktfotografien berühmte Fotograf Helmut Newton hat in den 60er Jahren sein Geld auch mit Modefotografien für das damals größte deutsche Textilunternehmen Nino aus Nordhorn verdient. Die Stadt gehörte zu den Zentren der deutschen Textilindustrie. Das ist lange vorbei, der frühere Global Player Nino längst pleite. Aber das Stadtmuseum Nordhorn sicherte sich aus dem Nachlass rund 1000 Modefotografien des Enfant Terrible. 40 dieser Modeaufnahmen werden bis zum 12. Mai in einer Sonderausstellung in Bezug gesetzt zu Fotos von Newtons Lehrerin Yva. Sie gehörte zu den bestimmenden Modefotografinnen der Weimarer Republik.

"40 x Yva/40 x Newton" lautet der schlichte Titel der Ausstellung. Farbenreiche und lebensfrohe Modefotos aus den späten 60er Jahren hängen nur wenige Meter entfernt von streng komponierten Schwarz-Weiß-Atelieraufnahmen aus den Zwanzigern. Auf die Idee zur Ausstellung sei er durch Recherchen des Nordhorner Journalisten und Autoren Thomas Kriegisch gekommen, sagt der Leiter des Stadtmuseums, Werner Straukamp.

Kriegisch erzählt, wie er sich mit Newton beschäftigt habe und auf Yva gestoßen sei. Die jüdische Fotografin hieß mit bürgerlichem Namen Else Neuländer-Simon und gab emanzipierten jungen Frauen in der Weimarer Republik eine Bühne. "Ich habe schnell gemerkt, dass Yvas Biografie eigentlich viel mehr hergibt als die von Newton."

Aufnahmen der 1900 geborenen Frau erschienen in den damals renommiertesten Zeitschriften wie "Die Dame", "Uhu" oder der "Berliner Illustrierten Zeitung". Sie sei eine der gefragtesten Mode- und Werbefotografinnen jener Jahre gewesen, so Museumsleiter Straukamp. Unter dem NS-Regime bekam die Jüdin schließlich 1938 Berufsverbot. Am 13. Juni 1942 wurden sie und ihr Ehemann Alfred Simon in das Vernichtungslager Majdankek/Sobibor deportiert und wohl zwei Tage später ermordet.

Newton wiederum, der 1920 in einer jüdischen Fabrikantenfamilie zur Welt kam, machte von 1936 bis 1938 eine Fotografenlehre bei Yva. 1938 ging er ins Exil nach Singapur und verbrachte die Kriegsjahre in Australien. 2004 wurde er in seiner Heimatstadt Berlin beerdigt.

Seit den späten 50er Jahre habe sich Newton auf Modefotografien spezialisiert, erklärt Museumschef Straukamp. Seine Bilder erschienen vor allem in der "Vogue". Von 1962 bis 1970 machte er Werbefotos für Nino. Unter den Aufnahmen fand sich auch ein Schwarz-Weiß-Porträt des Designers Karl Lagerfeld – der ebenfalls für Nino arbeitete. Nino veröffentlichte das Foto in einer Werbebroschüre. "Hier sieht man ganz deutlich den Einfluss von Yva", meint Straukamp zu dem klassisch-streng arrangierten Bild.

Wer durch die Ausstellung geht, kann tatsächlich die Kraft zweier untergegangener Epochen erahnen. Die Modefotografien lassen die Eleganz des Berlins der 20er Jahre wieder lebendig werden. Auch die vielen Porträts junger Schauspielerinnen und Tänzerinnen wirken erstaunlich lebendig. Der Betrachter blickt dieser jungen, aufstrebenden Frauengeneration direkt in die Augen.

Vierzig Jahre später ist die Welt natürlich anders. Nicht nur bunter, auch internationaler. Newton setzte seine weiblichen und männlichen Models nicht nur im Berliner Zoo, sondern zunehmend an exotischen Sehnsuchtsorten wie Mexiko in Szene. "Da war auch das Wetter einfach besser", sagt Straukamp.

Insgesamt hat das Nordhorner Stadtmuseum 80.000 Modefotografien aus dem Nachlass der untergegangenen Nordhorner Textilindustrie gerettet und präsentiert einen Teil davon seit gut zwei Jahren in einer Dauerausstellung. Für 2014 sei eine Sonderschau mit Aufnahmen des Berliner Modefotografen Rico Puhlmann (1934-1996) geplant.

  • Stadtmuseum Nordhorn: Nino-Allee 11, Nordhorn
  • Die Ausstellung ist bis zum 12. Mai zu sehen. Die Öffnungszeiten sind von Dienstag bis Samstag von 14 bis 18 Uhr, und am Sonntag von 11 bis 18 Uhr

(keh)