Hintergrund: Neue Domain-Namen nicht vor Jahresmitte aktiv

Auf detaillierte Regeln für die Vergabe der Namen in den sieben neuen Top Level Domains warten Europas Regierungen noch.

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  • Monika Ermert

Auf detaillierte Regeln für die Vergabe der Namen in den sieben neuen Top Level Domains warten Europas Regierungen noch, sagte EU-Kommissionsberater Christopher Wilkinson bei der Vorstellung der neuen Adressbereiche am gestrigen Donnerstag in Brüssel. Auf Einladung der Kommission hatten alle sieben von der Internet-Verwaltung Internet Corporation for Assigned Names and Numbers (ICANN) ausgewählten Betreiber der neuen generic Top Level Domains (gTLDs) von .biz bis .museum ihre Konzepte vorgestellt. Viele Fragen zur genauen Vergabepolitik für die verschiedenen neuen Domains werden allerdings erst nach Abschluss der Verhandlungen mit der ICANN beantwortet werden können (zu den neuen TLDs siehe auch Ein Königreich für einen (Internet-)Namen in Ausgabe 25/2000 von c't).

Bis zum 31. 12. 2000 sollten eigentlich wenigstens Modellverträge mit den mehr oder weniger offenen Top Level Domains ausgehandelt sein. "Unsere Zielvorstellung ist es, bis Mitte oder Ende Januar den Vertrag unterzeichnen zu können", sagte jetzt der Vertreter der Neustar-Melbourne-IT-Partnerschaft NeuLevel. NeuLevels .biz, streng genommen für Business-Nutzer reserviert, und die völlig unbeschränkt nutzbare .info-Domain des Registrarkonsortiums Afilias hoffen beide, die Nase vorn zu haben. Beide kündigten an, am neuen Protokollstandard eXtensible Registry Protocol (XRP) mitzuarbeiten, Neulevel stellt dafür erhebliche Investitionen in Aussicht.

Noch etwas länger werden wohl die Verhandlungen über die für bestimmte Nutzergruppen (.pro, .aero, .museum, .coop) oder Nutzungszwecke (.name) vorgesehene Adressbereiche dauern. Die Betreiber rechnen derzeit nicht mit Registrierstart vor Sommer oder Herbst dieses Jahres. In Brüssel wurde mehrfach die Frage nach der Legitimation der für die Vergabepolitik zuständigen Organisationen und, mehr noch, nach deren Fähigkeit gestellt, die in der Charter vorgesehenen Registrierbestimmungen durchzusetzen. "Wir sind eine relativ geschlossene Branche", sagte die Vertreterin der IATA. Vier oder fünf Flugzeuge reichen demnach noch nicht unbedingt aus, um dazuzugehören. Man wolle aber so "inklusiv" wie möglich sein, eine endgültige Entscheidung über Kriterien stehe aber noch aus.

Ein vergleichsweise klares, aber kompliziertes Verfahren über die Zulassung in die .museum-Domain will CORE als Technikpartner des International Council of Museums und des Getty Trust umsetzen. Die Registry wird demnach die Bewerbungen Prüfstellen vorlegen und erst bei einem Ja die entsprechende Museums-Domain aktivieren. Ebenso verlangt .pro von den anvisierten Medizinern, Juristen und Wirtschaftsprüfern einen Nachweis ihrer beruflichen Qualifikation.

Als mögliche Qualifikationen für eine law.proAdresse schlagen Register.Com und Virtual Internet beispielsweise abgeschlossene Examina, die Akkreditierung bei einer berufsständischen Organisationen (wie der Anwaltskammer) oder die Zugehörigkeit zu einem Organ der Rechtspflege vor. Für die Überprüfung solcher Qualifikationen hat sich RegistryPro die Zusammenarbeit mit Berufsorganisationen in aller Welt vorgenommen. Man habe erst angefangen, sich auf internationaler Ebene um solche Partner zu kümmern, diese Woche etwa war man bei der Generaldirektion XV (Binnenmarkt) der EU-Kommission zu Gast, um mit europäischen Ständeorganisationen Tuchfühlung aufzunehmen.

Was aber, wenn diese nicht mit RegistryPro kooperieren wollen? "Bin ich aber ausgeschlossen, wenn die Rechtsanwaltskammer in Barcelona nicht bereit ist, Euch ihre Daten zum Abgleichen zur Verfügung zu stellen?", fragte ICANN-Direktor und Jurist Amadeu Abril yi Abril die RegistryPro-Betreiber. Zudem könnten berufsständische Organisationen auch auf die Idee kommen, einen eigenen Adressraum anzusteuern oder eine Second Level Domain unter ihrer Länder-Domain (ccTLD) zu starten. In Frankreich etwa gibt es bereits Medizinerdomains. "Wir machen das seit drei Jahren", sagt Elisabeth Porteneuve vom französischen NIC gegenüber heise online.

Gemeinsam mit ihrem italienischen Kollegen Stefano Trumpy forderte sie von den neuen Adresszonen-Verwaltern, neben den ICANN-akkreditierten Registrierunternehmen auch ccTLD-Registrare als Endverkäufer für die neuen Adressen zuzulassen. "Sie wollen uns doch nicht zwingen, ihr Modell einfach innerhalb der nationalen Adressbereiche zu kopieren", sagte Trumpy. Genau das fürchten beispielsweise auch die Anbieter persönlicher Domainnamen unter .name. Als einziger Neuanbieter behalten sie sich die Second-Level-Ebene vor.

"Smith behalten wir für uns selbst, damit möglichst viele Nutzer sich die Adresse teilen können", sagt Hakon Haugnes von Global.Name. www.smith.name will Global.Name vermutlich selbst als Portal betreiben. User können also lediglich auf der dritten Ebene registrieren, wer schnell ist, erhält john.smith.name – es gibt allein in Großbritannien über 2 Millionen Personen dieses Namens. Wer es nicht geschafft hat, dem bleibt vielleicht sein Spitzname, überprüft werden die Namen von Global.Name dabei nicht. Am besten geschützt ist daher offensichtlich, wer seinen Namen als Marke eingetragen hat, denn Markenrechte will man auf jeden Fall berücksichtigen. Verschiedene Möglichkeiten, Markenrechtsansprüche abzusichern oder in Schiedsverfahren zu erstreiten, sehen übrigens fast alle neuen Registries vor.

Noch mehr Einschränkungen bei der Registrierung könnte das laufende Verfahren der World Intellectual Property Organization mit sich bringen: Vor allem geographische, geopolitische und ethische Begriffe hätten allen voran die Regierungen gerne reserviert. Schon die Verwendung der auf der ISO-3166-1-Liste vorgehaltenen Länderdomainkürzel als Second Level Domain haben sich die ICANN beratenden Regierungen verbeten. .Museum-Vertreter Cary Karp plädiert daher für die Nutzung der entsprechenden Städtenamen.

Am meisten Kritik erntete in Brüssel die .coop-Domain. Als einziger neuer Anbieter verzichten die Genossenschafter in den ersten sechs Monaten auf Konkurrenz: Registryprovider Poptel wird zunächst einziger Anbieter der .coop-Adressen sein. ICANN-Mitglied Abril fühlt sich dadurch an das NSI-Monopol erinnert: "Wir haben genau das bekommen, was wir nicht wollten, dass die Betreiber sagen, 'wir repräsentieren den und den', und die neuen TLDs als ihr Eigentum betrachten." Genauere – und auch einheitlichere – Grundsätze für den Betrieb der neuen Registries wären eigentlich Aufgabe der ICANN gewesen, meint Abril. Auch den Nutzern seien die Unterschiede zwischen den Registriermodalitäten kaum noch zu vermitteln. Verkehrte Welt nennt Abril es schließlich, dass die Selbstregulierer bald langsamer seien als die Regierungen, denen sie die Arbeit abnehmen sollen. Letztere hatten sich noch im November über ICANNs Eilentscheidung geärgert, jetzt bleibt ihnen augenscheinlich noch genug Zeit für weitere Einwendungen. (Monika Ermert) / (jk)