Hintergrund: T-Aktie erneut im freien Fall

Beim Abschluss der Übernahme von VoiceStream gab sich Telekom-Chef Ron Sommer noch voller Zuversicht. Doch die Kursentwicklung der T-Aktie dürfte auch ihn nicht begeistern.

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Von
  • Peter Lessmann
  • dpa

Beim Abschluss der Übernahme des US-Mobilfunkers VoiceStream Ende Mai zeigte sich Telekom-Chef Ron Sommer noch voller Zuversicht. Es gebe keine Anzeichen dafür, dass die T-Aktie durch die neuen Papiere, die die VoiceStream-Aktionäre im Zuge des Verkaufs erhielten, unter Druck gerate. Doch die derzeitige Kursentwicklung straft diese Worte Lügen. Seit Tagen befindet sich die einst so begehrte Volksaktie erneut im freien Fall. Am heutigen Donnerstag schrammte das Papier die 20-Euro-Grenze und pendelt am frühen Nachmittag zwischen 20,40 und 20,50 Euro.

"Der Sommer raubt mir meine Rente", empört sich ein frustrierter Kleinaktionär in Hamburg. In der Bonner Konzernzentrale gibt man sich indes zugeknöpft: Kein Kommentar! Tatsächlich könnte der Vorstandschef durch die unaufhaltbare Talfahrt wieder unter Druck geraten. "Die Telekom ist einfach nicht gut aufgestellt", kritisiert Jörg Pluta, Geschäftsführer der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) in Düsseldorf.

Ohnehin ist die oberste Führungsmannschaft bei vielen Anlegern und Aktionärsvertretern wegen der angeblichen Fehlbewertung des Immobilienvermögens in Misskredit geraten. Es hagelte Strafanzeigen gegen den Vorstand; seitdem ermittelt die Staatsanwaltschaft. Der neuerliche Sinkflug der Aktie ist Wasser auf die Mühlen der Kritiker.

Experten und Telekom-Analysten sprechen indes von reiner Psychologie: "Fundamentale Faktoren liefern derzeit keine Erklärung", meint Jörg Natrop von der Düsseldorfer WGZ-Bank zum neuerlichen Kursverfall. Unverändert hält die Bank an ihrem Kursziel von 29 Euro für die T-Aktie fest. Doch ein solcher Preis ist für viele T- Aktionäre blanker Hohn.

Beim letzten Börsengang Mitte 2000 hatten sie noch mehr als doppelt so viel (63 Euro) für eine Aktie gezahlt. Kein Wunder, dass Anleger versuchen, über eine Prospekthaftungsklage wegen der Immobilienbewertung ihr Geld zurückzubekommen. Doch die Erfolgsaussichten gelten Experten zufolge als gering. Zudem flossen die Mittel aus dem Börsengang nicht in die Kassen der Telekom, sondern ins Staatssäckel. Der Bund als Hauptaktionär hatte sich nämlich erstmals von Anteilen getrennt.

Nach Ansicht von Markus Glockenmeier, Telekom-Analyst der Delbrück Privatbankiers, werfen jetzt offenbar Investoren ihre Papiere auf den Markt, um weitere Verluste zu vermeiden. Denn sie befürchten, dass durch das Ende der Haltefrist für T-Aktien einiger Ex-Großaktionäre von VoiceStream das Papier weiter unter Druck gerät und an Wert verliert.

Im gegenwärtigen Börsenumfeld erweist sich VoiceStream als schwer verdaulich. So hatte die Telekom den Erwerb mit gut 1,2 Milliarden neuen T-Aktien bezahlt. Davon ging die Hälfte gleich an Kleinanleger. Für die übrigen Papiere wurden mit den Großaktionären von VoiceStream (Hutchison Whampoa, Sonera, TDS, Goldman) gestaffelte Haltefristen vereinbart. Eine läuft Anfang September ab: Dann dürfen sie 40 Prozent der T-Aktien verkaufen, die restlichen Anteile ab Dezember.

In der Summe können so in den nächsten Monaten theoretisch noch einmal 550 Millionen T-Aktien auf den Markt kommen, heißt es bei der WGZ-Bank. Sowohl Hutchison Whampoa wie auch der finnische Telekommunikationskonzern Sonera hatten bereits angekündigt, nicht dauerhaft T-Aktionäre bleiben zu wollen – und das sind schlechte Aussichten für die gebeutelten Telekom-Anteilseigner.

Kein gutes Bild in Sachen Aktienkultur gab in dieser Woche die Deutsche Bank ab: Nachdem Analysten des Instituts die T-Aktie zum Kauf empfahlen, platzierte die Bank nur einen Tag später für einen Großkunden 44 Millionen T-Aktien und löste damit den Kurssturz aus. Das sei psychologisch höchst ungeschickt gewesen, sagte DSW-Chef Pluta und orakelt: "Vielleicht war das sogar der Dammbruch für die Flucht aus der Aktie". (Peter Lessmann, dpa) / (jk)