Hintergrund: Werbe-Mails und Spam in Deutschland

Nach Auffassung der Bundesregierung soll unverlangt verschickte Werbung per E-Mail weiterhin verboten sein; dennoch bleiben einige Stolpersteine für Internet-Nutzer.

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Von
  • Holger Bruns

Die gute Nachricht zuerst: Nach Auffassung der Bundesregierung soll unverlangt verschickte Werbung per E-Mail (Spam) in Deutschland verboten bleiben, obwohl die E-Commerce-Richtlinie der Europäischen Union liberalere Möglichkeiten für Spam zulässt. Diese Richtlinie ist geltendes Recht und muss spätestens 18 Monate nach ihrer Verkündung in den Mitgliedsländern der Europäischen Union in nationales Recht umgesetzt werden.

Nach der EU-Entscheidung müssen unverlangt zugesandte Werbe-E-Mails als solche klar erkennbar sein. Spam darf beim Empfänger keine Kosten verursachen. Versender von E-Mail-Werbung müssen eine elektronische Robinsonliste beachten und dürfen den dort eingetragenen Internet-Nutzern keinen Spam zuschicken. Die Richtlinie spricht hier von "nicht angeforderter kommerzieller Kommunikation" und schlägt zusätzlich "geeignete Initiativen der Branche zum Herausfiltern entsprechender Mitteilungen" vor, die in den EU-Staaten, die Spam zulassen wollen, "gefördert und erleichtert werden" sollten.

Seit ein paar Wochen existiert nun ein vom Bundeskabinett vorgelegter Entwurf eines Gesetzes über rechtliche Rahmenbedingungen für den elektronischen Geschäftsverkehr (Elektronischer Geschäftsverkehr-Gesetz, EGG), das die EU-Richtlinie für den E-Commerce in deutsches Recht umsetzen soll. Der Bundesrat will zwar in das Gesetz noch verschärfte Bestimmungen aufnehmen lassen, die zur Strafbarkeit von Links führen könnten; wesentliche Änderungen betreffen bislang aber beispielsweise das Teledienstegesetz. Dessen neuer Paragraph 7 soll künftig "besondere Informationspflichten bei kommerziellen Kommunikationen" regeln und legt deshalb fest, dass "kommerzielle Kommunikationen klar als solche zu erkennen sein" müssen; ebenso muss deren Auftraggeber klar ersichtlich sein. Verkaufsfördernde Angebote wie Preisnachlässe, Zugaben und Geschenke müssen ebenfalls deutlich gemacht werden, genauso wie die Bedingungen, unter denen sie in Anspruch genommen werden können. Das betrifft auch Preisausschreiben und Gewinnspiele mit Werbecharakter.

Damit werden die Regelungen der EU-Richtlinie für den E-Commerce fast wörtlich übernommen. Neu ist eigentlich nur der letzte Satz: "Die Vorschriften des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb bleiben unberührt." Das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb führte in der Vergangenheit immer wieder zu Abmahnungen und seit Ende 1997 auch zu Gerichtsurteilen, in denen entschieden wurde, dass unverlangte Werbe-E-Mails an Privatpersonen wettbewerbswidrig und damit rechtswidrig sind (Landgericht Traunstein AZ: 2 HKO 3755/97). Diese Rechtsprechung wurde vom Landgericht Berlin am 2. April 1998 (AZ: 16 O 201/98) und 14. Mai 1998 (AZ: 16 O 301/98) bestätigt und auf E-Mail-Werbung ausgeweitet, die sich an Gewerbetreibende und Freiberufler richtet. Die Zusendung von E-Mail ohne bestehendes Einverständnis und ohne bestehende Geschäftsbeziehung sei unzulässig, weil der Empfänger die E-Mail nur unter Verursachung von eigenen Kosten lesen und erst dann als Werbung erkennen kann. Es kostet außerdem Zeit und Mühe, unverlangte Werbung aussortieren zu müssen; wenn dies online geschieht, entstehen zusätzlich Telefonkosten und Providergebühren, bemerkte das Landgericht Berlin.

Die deutsche Werbewirtschaft lehnt ohnehin unverlangte Werbung per E-Mail ab, sagt Hans-Jürgen Schäfer vom Deutschen Direktmarketing Verband (DDV). Für Schäfer sind die Formulierungen der E-Commerce-Richtlinie der Europäischen Union jedoch viel zu weich, denn deutsche Gerichte hätten sich längst schärfere Töne zu eigen gemacht. Positiv wertete Schäfer hingegen das Anliegen der Richtlinie, den Verbraucherschutz in den Mittelpunkt zu rücken. Für den DDV kämen wegen des Verbraucherschutzes nur so genannte Opt-In-Verfahren bei der E-Mail-Werbung in Frage. Dies bedeutet: Der Verbraucher muss der Werbung explizit im Vorfeld zustimmen.

Dennoch bleiben Zweifel, ob man sich als deutscher Verbraucher wirksam vor Spam schützen kann, denn Spam kommt zumeist aus dem Ausland, und da greifen keine deutschen Gesetze. Heftige Kritik übt der DDV an der elektronischen Robinsonliste. Ein solches Opt-Out-Verfahren sei schlicht wettbewerbswidrig, denn es stelle eine Irreführung des Verbrauchers dar. Inhabern nicht eingetragener E-Mail-Adressen könne man ja nicht einfach unterstellen, sie seien mit unverlangt zugesandter E-Mail-Werbung einverstanden. Man darf sie also nicht damit behelligen. Opt-Out-Listen sind für Spammer dennoch eine wertvolle Ressource, schließlich sind die enthaltenen E-Mail-Adressen von ihren Inhabern alle als gültig bestätigt worden. Diese E-Mail-Adressen lassen sich besonders vorteilhaft spammen, denn unzustellbare Rückläufer sind so gut wie nicht zu befürchten.

Deutsche Internet-Provider müssen hier offenbar noch einiges dazulernen. "Soweit habe ich noch gar nicht gedacht", hieß es erstaunt bei der Rechtsabteilung der Münchener Addcom AG, die im letzten Jahr unter ihren 300.000 Kunden zwanzig größere Spam-Fälle hatte. Deutsche Spammer werden üblicherweise telefonisch und schriftlich abgemahnt. Fast immer kommt es zur Accountsperre, im Wiederholungsfall auch zur Vertragskündigung. Bei Addcom will man sich dennoch nicht beklagen: "Der deutsche Internet-User ist mit dem amerikanischen ohnehin nicht vergleichbar," sagt die Rechtsabteilung. "Er ist weniger aggressiv. Das kann sich im Zuge der Internationalisierung aber ändern."

Diese Internationalisierung ergibt sich über das Herkunftslandprinzip der E-Commerce-Richtlinie. Damit ist gemeint, dass national unterschiedliche Gesetzgebungen innerhalb der EU gegenseitig respektiert werden. Das Ziel ist die Entwicklung eines EU-weiten Binnenmarktes, in dem der freie Verkehr von Waren und Dienstleistungen sowie die Niederlassungsfreiheit gewährleistet ist. Ein bisschen Pathos gehört dazu: "Die Weiterentwicklung der Dienste der Informationsgesellschaft in dem Raum ohne Binnengrenzen ist ein wichtiges Mittel, um die Schranken, die die europäischen Völker trennen, zu beseitigen." Bis zum Januar 2002 soll es spätestens soweit sein. (Holger Bruns) / (jk)