"Homepagevernichtung" auf Berlin.de

Das Hauptstadt-Portal Berlin.de stellt nach der Fusion mit BerlinOnline die kostenlosen Homepages ein.

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Durch einen komplizierten Gesellschaftervertrag wollen die beiden führenden Haupstadt-Portale den Weg aus der Krise finden. In der am heutigen Donnerstag unterzeichneten Vereinbarung erweitert BerlinOnline seinen Gesellschafterkreis um die Berliner Volksbank. Die bringt als "Gegenleistung" die verwertbaren Unternehmensbestandteile von Berlin.de in den neuen Verbund ein. BerlinOnline wird vom Hamburger Verlagshaus Gruner + Jahr und der Bankgesellschaft Berlin betrieben. Hinter dem "offiziellen" Stadtinformationssystem Berlin.de steckt neben der Berliner Volksbank die Landesregierung.

Mit der Kooperation entsteht das größte Online-Informationsangebot für die Hauptstadt. Zusammen erzielen die zwei Internetangebote monatlich fast 25 Millionen Page Impressions. Sie bleiben zunächst als getrennte Marken und E-Stadttore erhalten. Die nach Entlassungen bereits deutlich reduzierten Redaktionen sollen allerdings "inhaltlich eng miteinander vernetzt" werden, um Kosten zu sparen und Synergien zu schaffen.

Die Fusion der kränkelnden Portale, die sich gemeinsam immer noch der Konkurrenz weiterer, auch nicht gerade boomender Einfallstore wie MeinBerlin (Tagesspiegel/Zitty) oder Berlin1.de (Berliner Morgenpost, B.Z.) erwehren müssen, startet für private Nutzer unerfreulich. Bereits am gestrigen Mittwoch hatte das Berlin.de-Team per E-Mail die Nutzer des kostenlosen Homepage-Services aufgeklärt, dass der Dienst zum 16. November eingestellt wird. Als Grund nannte das Unternehmen den gestiegenen "Missbrauch" des Hosting-Angebots "durch kommerzielle und rechtswidrige Inhalte", der zu einem nicht mehr tragbaren Administrationsaufwand geführt habe.

"Wir mussten einen Schlussstrich ziehen", bestätigt ein Sprecher der bisherigen Betreibergesellschaft berlin.de new media den überraschenden, rund 2.500 Nutzer betreffenden Schritt gegenüber heise online. Probleme hätten den Content-Prüfern vor allem "rassistische Inhalte" sowie das "Aufladen von Software" bereitet. Auf der "offiziellen Website des Landes", die bislang noch mit der Einrichtung einer "eigenen Visitenkarte" für lau wirbt, seien solche Vorkommnisse "gewichtiger" als bei kleineren Anbietern.

Die betroffenen Homepagebastler, denen die Überbringer der Hiobsbotschaft noch ein Lob für ihre "kreativen" und "zum Teil sehr witzigen" Seiten machen, sind "not amused". Von einem "Generalangriff auf die Nutzer" des Dienstes spricht Bernhard Debatin, der auch nach seiner Auswanderung in die USA seinen virtuellen Schrebergarten auf den Berliner Servern weiter pflegte und dort regelmäßig ein Online-Tagebuch führte.

Besonders empört ist der Kommunikationswissenschaftler über die "vorgeschobene Begründung" der "allgemeinen Homepagevernichtung". Dem Service-Provider sei es in einer Zeit, in der die Netz-Geschäfte nicht gut gehen, anscheinend zu viel geworden, die privaten Pages umsonst zu lagern. Besonders frech sei, dass der Dienst in seiner Verkündigungsmail Nutzer explizit zum Wechsel auf den offiziellen Marktplatz der Site gegen Zahlung "einlädt".

Vor wenigen Monaten hatte Berlin.de bereits zahlreiche Nutzer verprellt, da der Anbieter ohne individuelle Ankündigung seine Dienste als Zugangs-Provider einstellte. Generell war die als Musterbeispiel einer "Public-Private-Partnership" gestartete Unternehmung in den vergangenen Jahren immer stärker in die Krise geraten und wechselte wiederholt den privatwirtschaftlichen Finanzpartner. Auch wegen seiner umständlichen Frame-Navigation war das Hauptstadt-Portal bereits des öfteren in die Kritik geraten. (Stefan Krempl) / (anw)