House of the Dragon: Das Lied von Brutalität, Sex und Langeweile

Das "Game of Thrones"-Prequel ist schon durch seine bloße Existenz für Fans ein Muss. Für sich allein gestellt kann es aber bisher nicht überzeugen.​

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Szene aus House of the Dragon

(Bild: HBO)

Lesezeit: 7 Min.
Von
  • Fabian A. Scherschel
Inhaltsverzeichnis

Es drängt sich das Gefühl auf, George R. R. Martin würde nichts unversucht lassen, um seine epische Saga "Das Lied von Eis und Feuer" niemals beenden zu müssen. Nachdem der amerikanische Kabelsender HBO die Geschichte als Fernsehserie "Game of Thrones" adaptiert hatte, folgt nun mit "House of the Dragon" eine Prequel-Serie zu der Buchreihe. Martin arbeitet federführend mit, obwohl seine Buch-Fans nach wie vor sehnsüchtig auf ein Erscheinen der letzten zwei Bände seiner epischen Romanreihe hoffen. Ob die neue Serie darüber hinwegtrösten kann, dass "The Winds of Winter" seit Jahren auf sich warten lässt?

Natürlich kann man nach nur einer Folge nicht unbedingt auf den Rest der Serie schließen, aber die Serienmacher scheinen ein eindeutiges Signal senden zu wollen: Wir machen hier Fan-Service für Hardcore-Game-of-Thrones-Anhänger. Zuschauer, die einfach nach einer neuen Fantasy-Serie suchen und die Familienfehden der Starks, Lannisters, Targaryens und Baratheons nicht im Detail verfolgt haben, werden sich nach der ersten Folge wahrscheinlich nach anderer Unterhaltung umsehen wollen. Für sie ist die erste der zehn Folgen von "House of the Dragon" vermutlich nicht interessant genug.

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"Game of Thrones" lebt von seinen Figuren und den großartigen Schauspielern, die sie verkörpern: Sean Bean, Peter Dinklage, Lena Headey, Nikolaj Coster-Waldau, Jason Momoa, Emilia Clarke und nicht zuletzt Maisie Williams. Sie sind es, die den zum Teil sehr trockenen und langatmigen Stoff der Buchreihe mit Leben füllen und – zusammen mit viel Gewalt und den typischen HBO-Nacktszenen – "Game of Thrones" zu einer der erfolgreichsten Fernsehserien aller Zeiten gemacht haben. Krasse Gewaltszenen und Softcore-Porn-Einlagen hat "House of the Dragon" auch; nur wirkt es – zumindest in der ersten Folge – so, dass hier über die eintönigen Figuren, mittelmäßigen Schauspieler, langweilige Geschichte und seichten Dialoge hinweggetäuscht werden soll.

Schauspielerischer Lichtblick im weißhaarigen Mittelmaß: Matt Smith als Daemon Targaryen

(Bild: Ollie Upton / HBO )

Jedenfalls gelingt es Martin und Konsorten beim Serienauftakt kaum, die Zuschauer zu fesseln. Matt Smith macht als Prinz Daemon Targaryen einen guten Job, alle anderen Figuren sind aber absolut vergessenswert. Vor allem Emma D'Arcy wirkt als Prinzessin Rhaenyra Targaryen wie ein schlechter Daenerys-Abklatsch. Vielleicht sind es aber auch nur die glanzlosen Dialoge, die in der ersten Folge einfach jede herausragende schauspielerische Leistung im Keim ersticken.

Das Hauptproblem der Serie dürfte wohl sein, dass sie die Geschichte des Königsgeschlechts der Targaryens erzählt. Und bei "Game of Thrones" funktionierten die Targaryens (hauptsächlich Daenerys) vor allem deswegen so gut, weil sie als tyrannischer Gegenpol für alle anderen Figuren – selbst die eigentlichen Bösewichte der Lannisters – agierten. Bei "House of the Dragon" scheint die Devise allerdings Targaryens gegen Targaryens gegen Targaryens zu lauten. Und das ist dann einfach ein bisschen zu viel weißhaariger Drachennarzissmus.

Zugegeben, auch "Game of Thrones" ist voller Anti-Helden und die Serie ist vielleicht genau deshalb etwas Besonderes, weil so gut wie alle Figuren an einem Punkt der Geschichte ihre Prinzipien aufgeben und sich auf die eine oder andere Art moralisch kompromittieren müssen. Aber man hat viele dieser Figuren trotzdem lieb gewonnen und wenn sie am Ende, Martin-typisch, einen aussichtslosen Tod sterben, fühlt man mit. Eben, weil es interessante Figuren sind. Sie erfüllen die Rolle des klassischen Helden in einfacher gestrickten Fantasy-Romanen.

Allerdings sucht man solche Figuren in der ersten Folge von "House of the Dragon" vergeblich. Da sticht niemand heroisch aus der Masse wie Ned Stark, bringt den Zuschauer wortgewandt auf seine Seite wie Tyrion Lannister, besticht durch kaltherzige Intrigen einer Cersei oder einfach das gute Aussehen eines Jaime. Im Haus des Drachen trifft man nur auf Arschlöcher. Da gibt es bisher niemanden, den man genauer kennenlernen möchte.

Bei "Game of Thrones" waren die Arschlöcher immerhin noch interessant, "House of the Dragon" langweilt hingegen schon nach einer Stunde voller Rumgelaber und Schwertgehacke. Schlimmer noch, die Serie wirkt abstoßend, da die krasse Gewalt und die uninspirierten Sex-Szenen nicht durch Wortwitz und Charisma aufgewogen werden. "House of the Dragon" versinkt in einer düsteren Suppe aus ekligen Figuren und ekligen Geschehnissen.

Sicher, das ist nur die erste Folge und später in der Serie lernen wir die eine oder andere Figur zu schätzen – Daemon Targaryen scheint dafür am wahrscheinlichsten bisher – und fiebern dann mit ihren Abenteuern mit. Trotzdem erscheint es schleierhaft, warum die Serienmacher eine erste Folge derart schief inszenieren, wenn der Rest der Serie sich dann doch in eine andere Richtung entwickelt. Ist das den Machern vielleicht egal, da man "House of the Dragon" eh nur im Streaming-Abo schauen kann? Trotzdem will doch auch HBO seine Zuschauer bei der Stange halten. Mit so einem langweiligen Plot und so unappetitlich in Szene gesetzten Figuren wie in der ersten Folge dieser Serie wird das wohl nichts.

Hardcore-Game-of-Thrones-Fans wird das alles wohl kaum interessieren; und vielleicht sind sie einfach die Zielgruppe, die HBO bedienen will, und mit denen man sich zufriedengibt. Solche Fans kommen hier wahrscheinlich auf ihre Kosten. Es gibt Drachen, man sieht die Targaryens zum Höhepunkt ihrer Macht, und auch Kleinigkeiten wie ein bestimmter Vorname eines Stark-Vorfahren oder Erwähnungen einer düsteren Zukunftsprophezeiung werden beim Kenner ein wohliges Hey-das-kenne-ich-Gefühl auslösen.

Zusammen mit der allgegenwärtigen Gewalt, den Bordell-Szenen und den immer wieder aufkommenden vier Noten der Filmmusik der Vorgänger-Serie kommt hier ein eindeutiges Game-of-Thrones-Gefühl auf, das ist unbestritten. Aber für jemanden, der mehr erwartet als "wir machen mit einer mittelmäßigen Geschichte da weiter, wo wir mit Game of Thrones aufgehört haben", ist das alles etwas dünn. Es ist einfach zu langweilig.

Hardcore-Fans haben die erste Folge von "House of the Dragon" eh schon gesehen. Alle anderen sollten vielleicht erst einmal warten, bevor sie deswegen ein weiteres Streaming-Abo abschließen. Vielleicht wird die Serie ja im Laufe der noch kommenden neun Folgen besser. Es bleibt zu hoffen, dass der Plot etwas Fahrt aufnimmt und die Dialoge besser werden. So kann sich vielleicht auch der ein oder andere Schauspieler noch beweisen, und eine Figur auf die Leinwand bringen, die einer Rolle in "Game of Thrones" würdig gewesen wäre und mit der man auch mehr Zeit verbringen möchte. Wir werden auf jeden Fall dranbleiben und über weitere Folgen berichten.

"House of the Dragon" ist in Deutschland exklusiv bei WOW, dem Nachfolger von Sky Ticket, im Streaming-Abo zu sehen. Neue Folgen der Serie werden jeden Montag, parallel zur US-Erstausstrahlung, veröffentlicht.

(axk)