Präsentationen gefunden: Huaweis Produkte für Chinas Überwachungsstaat

Entgegen langjähriger Beteuerung ist Huawei durchaus im Überwachungsgeschäft tätig. Das zeigen Dokumente von Huaweis eigener Webseite.​

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Huawei-Logo und Schriftzug aufgebaut vor einem Gebäude

(Bild: Rad K/Shutterstock.com)

Lesezeit: 6 Min.
Inhaltsverzeichnis

Huaweis eigene Marketing-Unterlagen zeigen, dass der Konzern Staat und Unternehmen Überwachungstechnik angeboten hat. Die verräterischen Powerpoint-Dokumente waren bis Ende des vergangenen Jahres auf der Huawei-Webseite öffentlich abrufbar. Sie zeigen, wie Huawei und Partner chinesische Umerziehungs- und Zwangsarbeitslager technisch ausstattet sowie politisch Andersdenkende verfolgen oder Kunden und Mitarbeiter überwachen möchte. Dem gegenüber stehen jahrelange Beteuerungen des Unternehmens, bloß Anbieter allgemeiner Netzwerktechnik zu sein.

Auf mehr als 3.000 Präsentationsfolien bewirbt Huawei Überwachungstechnik, die gemeinsam mit chinesischen Partnern entwickelt wurden. Wann und wem die Präsentation vorgeführt wurden, ist nicht bekannt. Die Washington Post (WP) hat die Präsentationen übersetzt und fünf besonders brisante Beispiele in Übersetzung sowie im Original veröffentlicht.

Über 100 der Dokumente sind als "vertraulich" gekennzeichnet. Viele wurden 2014 erstellt, die jüngsten Änderungen datieren aus den Jahren 2019 und 2020. Bei den Copyright-Vermerken steht als Jahreszahl 2016, 2017 oder 2018. Ein Teil der Angebote wurde laut WP noch im laufenden Monat in einem Huawei-Katalog beworben. Andere Produkte und Dienstleistungen wurden zwar gelöscht, doch hat die Zeitung sie in Regierungsunterlagen sowie Patentanträgen der Huawei-Partner wiedergefunden.

Nicht alles war geheim. So berichtete die c't Innovation 2020 wie folgt: "Das chinesische Start-up iFlytek hat vor, innerhalb der nächsten zwei bis drei Jahre eine landesweite Spracherkennungsplattform einzuführen. Derzeit wird eine Version getestet, die ein Telefongespräch automatisch beendet, wenn der Anrufer als Betrüger erkannt wird." (c't special 2/2020, S. 104).

Neu herausgekommen ist, dass Huawei diese Überwachungstechnik gemeinsam mit iFlytek entwickelt und vertrieben hat – nicht um Betrüger aufzuspüren, sondern für die "Nationale Sicherheit" der Volksrepublik. Wer sich beispielsweise am Telefon ungebührlich zu Hongkong oder Taiwan äußert, kann damit sogleich identifiziert werden.

Der nächste Schritt könnte dann die "Huawei und PCI-Suntek Technology Video Cloud Big Data Joint Solution" sein. Damit sollen "Personen von politischem Interesse" nicht nur über ihre Endgeräte, Mobilfunknetz und WLANs "kontrolliert" und auf Schritt und Tritt verfolgt werden, sondern auch die allgegenwärtigen Überwachungskameras sollen sie anhand von Fahrzeug- und Gesichtserkennung nicht aus den Augen verlieren.

Überwachungstechnik von Huawei (5 Bilder)

Vertrauliches Huawei-Marketing für Stimmerkennung

"Anwendungsszenarien für die Platform zum Management von Stimmmustern". Die Stimmmuster kommen beispielsweise von Telefonaufnahmen, Sprachnachrichten oder einfach aus dem Internet.
(Bild: Huawei via Washington Post)

Laut Präsentation kann die "Lösung" in der Fülle an Aufnahmen sogar weitere, bislang unbescholtene Personen als verdächtig markieren. Das System ist bereits im Einsatz: Huawei nennt das Sicherheitsministerium der bevölkerungsreichsten Provinz Guangdong (Kanton) als Referenzkunden.

In der (offiziell autonomen) Region Xinjiang betreiben Huawei und DeepGlint laut den Unterlagen eine "“One Person One File Solution" – öffentliche Gesichtserkennung, in deren Datenbank bereits 2017 mehr als 50 Millionen Personen gespeichert waren. Andere Unterlagen zeigen, dass Huawei-Kameras zur Überwachung in Städten, entlang Straßen sowie in Lagern der Region zum Einsatz gelangen. Wie iFlytek steht auch DeepGlint (Beijing Geling Shentong Information Technology) wegen Menschenrechtsverletzungen, insbesondere gegen die Uiguren auf der schwarzen Liste der US-Regierung.

Forscher der Organisation IPVM haben vergangenes Jahr aufgedeckt, dass Huawei einen "Uiguren-Alarm" zumindest getestet hat: Ein von Huawei und Megvii entwickeltes System soll Uiguren an ihrem Äußeren erkennen und automatisch Alarm bei der örtlichen Polizei auslösen. Nach einem Bericht der WP ist damals ein Huawei-Manager zurückgetreten. Über eine Million der mehrheitlich muslimischen Uiguren, Kasachen und Usbeken ist in chinesischen Umerziehungs- und Zwangsarbeitslagern interniert, ohne eine Straftat begangen zu haben; doch auch die übrigen zehn Millionen genießen in China keine Bewegungsfreiheit und werden massenhaft zwangssterilisiert.

Für die Lager hat Huawei gemeinsam mit Hewei umfassende "Lösungen" erarbeitet: "Huawei-Produkte sind das Fundament der einheitlichen smarten Gefängnisplattform", verkündet das Huawei-Marketing stolz. Zu der "smarten Gefängnisplattform" gehören vernetzte Kerkertüren, Überwachungskameras und Software zur Einteilung, Überwachung und Auswertung der Internierten für Umerziehungskurse und Zwangsarbeitsschichten – alles ganz modern in der Cloud gehostet.

Selbst die Produktionspläne für Einnahmen aus der Zwangsarbeit verwaltet die Software. Laut Präsentation hat Huawei "Erfolgsbeispiele" aus mehreren chinesischen Lagern und Gefängnissen vorzuweisen.

Solche Überwachungstechnik wollte Huawei aber nicht nur an das Regime verkaufen. Die "Smart Service Center Joint Solution", von Huawei gemeinsam mit der Firma 4D Vector ersonnen, soll Mitarbeiter gewöhnlicher Unternehmen laufend überwachen. Aus den Bildern von Überwachungskameras extrahiert die Software die vermutliche Stellung des Skeletts der jeweiligen Person und schlägt Alarm, wenn der Mitarbeiter nicht an seinem Platz ist, sich mit seinem Handy zu beschäftigen oder sonst unaufmerksam zu sein scheint.

Dem nicht genug, die Waffe kann auch gegen die Kunden gerichtet werden, die in ein Geschäft kommen: Gesichter vorbeigehender Personen werden hinsichtlich Geschlecht, Kleidung, Beruf und anderen Faktoren ausgewertet, um darauf aufbauend zugeschnittene Produktempfehlungen auszuwerfen. Natürlich wird auch gezählt, wie oft jede Person schon im Geschäft gesehen und gerastert wurde.

Diese Überwachungsmethoden dürften noch über das hinausgehen, was westlichen Konzernen wie Amazon vorgeworfen wird. Und selbst in China sind solche Methoden nicht mehr en vogue: Chinesische Medien haben ausländische Firmen, darunter BMW, dafür kritisiert, Kunden mit Gesichtserkennungssystemen zu überwachen. Daraufhin haben im Oktober mehrere chinesische Firmen, darunter Huawei, öffentlich dem Missbrauch von Gesichtserkennung und anderer Überwachungstechnik abgeschworen.

Doch schon bisher hat Huawei wiederholt betont, ein neutraler Technik-Anbieter zu sein. Etwaiger Missbrauch erfolge durch Dritte oder Kunden ohne Wissen Huaweis. Die nun publik gemachten Huawei-Dokumente zeichnen ein anderes Bild.

(ds)