E-Government: Humanistische Union positioniert sich gegen Digitalzwang

Die Bürgerrechtsorganisation macht gegen den Digitalzwang im Bereich E-Government mobil. 40 Prozent der EU-Bevölkerung hätten keine digitalen Grundkenntnisse.

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Zwei Hände halten Smartphone, im Vordergrund Linien als Symbol für soziale Verbindungen

(Bild: issaro prakalung/Shutterstock.com)

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Die Humanistische Union (HU) verlangt ein Moratorium, "um die fortschreitende Digitalisierung grundlegender Dienstleistungen auf europäischer Ebene einzufrieren". Der E-Government-Stopp soll gelten, wenn parallel entsprechende analoge Angebote aufgegeben werden. Die Pause sei nötig, um "die Aufrechterhaltung nicht-digitaler Kommunikationskanäle mit Dienstleistern der Grundversorgung zu gewährleisten", schreibt die Bürgerrechtsorganisation in einem offenen Brief an die EU-Kommission, den Ministerrat und das Parlament. Nötig sei eine gute Verfügbarkeit etwa "von Amts- und Bankfilialen mit ausreichend langen Öffnungszeiten und gut geschultem Schalterpersonal". Analoge Leistungen dürften zudem keine zusätzlichen Kosten für die Nutzer mit sich bringen.

Für die Interaktion mit Behörden, Banken, Energieversorgern – aber auch bei der Arbeits- oder Wohnungssuche oder dem Fahrkartenkauf – sei die Nutzung digitaler Medien unumgänglich geworden, moniert die HU in dem Schreiben einen zunehmenden Digitalzwang. 40 Prozent der europäischen Bevölkerung verfügten aber gar nicht über die nötigen digitalen Grundkenntnisse. Dazu gehörten vor allem ältere Menschen oder solche mit niedrigem Bildungsniveau, Arbeitslose, Frauen, Personen mit Behinderungen sowie Migranten mit "prekärem Aufenthaltsstatus". Die digitalen Schwierigkeiten kämen oft zu bereits bestehenden sozialen Benachteiligungen hinzu, was bei vulnerablen Personen zu einer "doppelten Belastung" führe. Folgen könnten die Nichtinanspruchnahme sozialer Rechte, der Bankausschluss oder der Verlust der Energieversorgung sein.

Zugleich erinnern die Bürgerrechtler daran, dass die Kommission schon seit 2011 verpflichtet sei, bei der Ausführung oder Bereitstellung von Grundversorgungsleistungen auf die Einhaltung gemeinsamer Grundsätze wie allgemeinen Zugang und Gleichbehandlung zu achten. Diese Aufgabe werde "heute auf dem Altar der Digitalisierung geopfert", um Dienstleistungen auch zunehmend zu automatisieren. Dies berge aber das Risiko algorithmischer Diskriminierungen. In den Niederlanden und Frankreich seien Tausende Familien so des Sozialbetrugs bezichtigt worden. Einigen Haushalten habe die Verwaltung überlebenswichtige Einnahmen entzogen.

2023 habe die Parlamentsversammlung des Europarats zudem den Mitgliedsstaaten in einer Richtlinie zur digitalen Spaltung den Übergang von "einer Logik vollständig digitaler öffentlicher Dienste" zu einer der "vollständigen Zugänglichkeit" dieser Services empfohlen. Dazu gehöre es, analoge Zugänge beizubehalten. Die HU fordert ferner eine grundsätzliche gesellschaftliche Debatte darüber, welche Rolle die Digitalisierung spielen soll.

(olb)