ICANN 3.0 wieder mit Nutzerdirektoren?
Bei ICANN, der Verwalterin des Domain Name Systems (DNS), sollen Vertreter der Nutzer bald wieder Mitbestimmungsrechte erhalten. Derzeit haben nur Registries, Registrare und IP-Adressverwalter ein gesichertes Stimmrecht.
Vor sieben Jahren schaffte die Internet Corporation for Assigned Names and Numbers (ICANN) die Beteiligung von Nutzern in ihrem obersten Aufsichtsgremium, dem Vorstand, ab. Zu ihrem 34.Treffen hat die privaten Verwalterin des Domain Name System (DNS) nun etwa 90 Konsumenten- und Bürgerrechtsorganisationen aus aller Welt nach Mexico City eingeladen. Sie sollen beim ersten Gipfeltreffen der Nutzer (summit At-Large User Summit) Vorschläge für die künftige Beteiligung von Nutzerorganisationen erarbeiten. Ein Vorschlag knüpft an die früheren Mitbestimmungsrechte an: ICANN 3.0 soll wieder zwei eigene Mitglieder im Vorstand haben. Aktuell haben Registries, Registrare und Vertreter der IP-Adressregistries volle Stimmrechte bei der Entscheidung über neue Top Level Domains, Vertragsbestimmungen und Sanktionen gegen die vertraglich mit ICANN verbundenen DNS-Marktteilnehmer. Acht weitere stimmberechtigte Sitze vergibt ein ICANN-Nominierungskomitee.
Wolfgang Kleinwächter von der Universität Aarhus, Leiter einer von fünf Arbeitsgruppen des Nutzergipfels, rechnet fest damit, dass der Gipfel im Laufe der kommenden Woche die Forderung nach den Direktorensitzen und mehr Transparenz beschließt. Eine weitere Änderung, die die Nutzer anstrebten, sei eine Verpflichtung für den Vorstand, Entscheidungen in Sachfragen zu begründen, wenn dazu eingereichte Empfehlungen der Nutzer nicht berücksichtigt werden. Eine solche Rechenschaftspflicht gibt es bislang nur gegenüber den Regierungen, unter denen ebenfalls manche darüber murren, dass sie nur "beratend" tätig sein sollen.
ICANN-Vorstands und At-large-Gremium sind derzeit Gegenstand einer der üblichen ICANN-Evaluierungen, an der so genannten Generic Domain Name Supporting Organisation (GNSO) wird schon kräftig herum reformiert. Viele Interessengruppen nutzen dies, um Ansprüche auf bessere Mitspracherechte zu stellen. "ICANN ist ohne At-Large nichts anderes als eine weitere internationale Industrievertretung", sagt Lutz Donnerhacke, der den Verein FITUG beim Nutzergipfel vertritt.
Donnerhacke ist überzeugt: "Ohne den Bezug zum Endnutzer des Internets verliert ICANN die Berechtigung, für das 'Internet' zu sprechen." Der Gipfel stelle eine Möglichkeit dar, nachzuweisen, dass das komplizierte At-large-Konstrukt die richtige Art der Nutzerbeteiligung ist. Natürlich gebe es strukturell durchaus Raum für Verbesserungen, meint der ICANN-Neuling. Die mühevoll aus dem Boden gestampften regionalen At-large-Strukturen (RALO) – Dachorganisationen für die Verbände in einer der fünf Regionen – seien möglicherweise verzichtbar. Flachere Hierarchien und eine "kleinere" Rolle für die RALOs zugunsten der regionalen Verbände und Vereine und des zentralen At-large Advisory Committee (ALAC) seien wohl sinnvoll, meint auch Izumi Aizu, einer der alten Hasen der Nutzermitbestimmung bei ICANN.
Wichtigste Aufgabe für den Nutzergipfel und die Nutzervertreter in der ICANN seien "produktive Vorschläge" zur Arbeit der ICANN, sagte Donnerhacke, der sich als einer der Leiter der Gipfel-Arbeitsgruppe zur DNS Sicherheit engagiert. Wolf Ludwig von der Schweizer Organisation communica-ch sagte: "Ich sehe den Summit auch als Test, ob aus der Nutzerschaft herangetragene Themen wie Privacy und Konsumentenschutz auf ICANN-Agenden tatsächlich Platz haben und nicht nur Alibi-Übungen bleiben." Im Laufe des ICANN-Treffens, das am morgigen Montag beginnt, geht es in Fragen der neuen Top Level Domains, beim Dauerstreit "Datenschutz und Whois" sowie bei DNS-Sicherheit und DNS-Gaunereien wie Fast-Flux zur Sache. (Monika Ermert) / (uma)