ICANN-Bericht: Keine Chance für Sex- und Kids-Domain
Am heutigen Freitag veröffentliche die Internet-Verwaltung ICANN endlich den lang erwarteten Bericht über die Anträge für neue Top Level Domains.
Am heutigen Freitag veröffentlichte die Internet-Verwaltung ICANN endlich den lang erwarteten Bericht über die Anträge für neue Top Level Domains (TLD). Bis zum 2. Oktober dieses Jahres hatten Firmen und Organisationen Zeit, sich für die Einrichtung einer neuen TLD zu bewerben – die ICANN-Direktoren hatten sich Mitte Juli auf ihrem Treffen in Yokohama nach rund fünfjährigen Diskussionen in der Szene endlich dazu durchgerungen, überhaupt neue Internet-Domainnamen einzuführen. Insgesamt 47 Bewerbungen gingen bis zum Ablauf der Frist bei der ICANN ein; drei Antragsteller zogen allerdings kurz danach ihre Bewerbung wieder zurück. Dabei drehten sich einzelne Anträge aber beileibe nicht nur um eine einzelne Domain – so beantragte etwa Name.Space gleich über 100 neue TLDs.
Auf ihrer Jahrestagung in Kalifornien will die ICANN nächste Woche nun beschließen, welche TLDs neu eingeführt werden; gleichzeitig damit legt sie auch fest, welche Firmen oder Organisationen für die jeweiligen neuen TLDs als Registratur fungieren. Grundlage für die Diskussion ist der nunmehr vorgelegte Bericht, der die TLD-Anträge analysiert und kommentiert. Davon ausgehend, dass die ICANN nur sehr wenige aus den vorgeschlagenen neuen Domains tatsächlich akzeptieren wird, versuchen die Autoren, entsprechende Vorschläge zu machen – oder vielmehr, ihrer Ansicht nach nicht akzeptable, nicht genug begründete oder in finanzieller oder technischer Hinsicht unzureichende Anträge von der weiteren Diskussion auszuschließen. Das bei der ICANN für das Domain Name System zuständige Untergruppe, die Domain Name Supporting Organization (DNSO), hatte von vornherein kategorisch erklärt, es gehe darum, die Erweiterung des Namensraums in einer "verantwortlichen und angemessenen" Weise durchzuführen. Dies hieß für die DNSO nichts anderes, als dass angesichts der ihrer Ansicht nach nicht vorhandenen Erfahrungen mit der Einführung neuer TLDs in einer ersten Phase nur sehr wenige neue Domains zugelassen werden sollten.
Die Autoren des Berichts beurteilten die TLD-Anträge daher vor allem nach technischen und finanziellen Aspekten, darunter etwa die technische Erfahrung der Antragsteller, einen vernünftigen Geschäftsplan, die zur Verfügung stehenden Ressourcen der vorgeschlagenen Registraturen usw. Die Hürde, überhaupt einen Antrag auf eine neue TLD stellen zu dürfen, hatte die ICANN allerdings bereits recht hoch angesetzt: Jeder Antragsteller musste eine Bewerbungsgebühr von 50.000 US-Dollar an die ICANN entrichten. Dies hatte schon im Vorfeld zu heftigen Diskussionen geführt, da die Gefahr gesehen wurde, dass dies karitative oder Nicht-Regierungs-Organisationen von vornherein ausschließe.
Die Autoren teilten die Anträge in drei unterschiedliche Kategorien ein: Allgemeine TLDs (teilweise mit kommerziellen oder inhaltlichen Einschränkungen), spezielle TLDs (etwa .union für Gewerkschaften) und TLDs, die für ganz bestimmte neue Dienstleistungen vorgesehen sind. Keine Chance gibt der Bericht von vornherein den TLDs .xxx (für Porno-Sites) und .kids (für Inhalte, die nach Ansicht der Registrare auch Kindern ohne Sorgen zugemutet werden können). .kids sei nicht geeignet, etwa kinderfreundliche Seiten zu fördern; und .xxx sei nicht zu empfehlen, weil die Domain zu kontrovers sei und der Antrag nicht nachgewiesen habe, welche Vorteile die Einführung dieser TLD bieten solle.
Auch die eingeschränkten kommerziellen TLDs, die beantragt wurden, fanden in dem ICANN-Bericht nur wenig Gnade. Domain-Anträge wie .law für Rechtsanwälte oder .travel für Reisebüros haben nach Ansicht der Autoren nicht genug technischen Background oder aber keine ausreichend repräsentativen Finanziers.
Zumindest technisch und finanziell sieht die Untersuchung dagegen keine Hinderungsgründe, sehr spezielle TLDs wie etwa .union, .museum oder .health (ein Antrag der Weltgesundheitsorganisation) unter die neuen Domain-Namen aufzunehmen. Selbst die Bedenken, wie gewährleistet werden solle, dass .union nicht für andere als gewerkschaftliche Zwecke missbraucht werde, sehen die Autoren durch den Antrag der International Confederation of Free Trade Unions (ICFTU) beseitigt. Den Vorschlag Novells, unter der Domain .dir eine Verbindung zwischen einer TLD und einem Directory-Service herzustellen, kommentiert der Bericht dagegen kritisch: Negativ sei etwa, dass Novell sich vollständig auf den eigenen Directory-Service konzentriere, ohne andere Directories in Betracht zu ziehen.
Recht positiv stehen die Autoren des Berichts den Anträgen für allgemeine Domains wie .web, .firm, .info,. nom oder .site gegenüber – vor allem auf Grund vernünftiger technischer und finanzieller Hintergründe einzelner Antragsteller. Die Untersuchung lässt sich aber zu nicht mehr als zu der Empfehlung herab, aus dieser Gruppe könne die ICANN ohne weiteres Anträge auf neue TLDs genehmigen.
Da aber einzelne neue TLDs von mehreren Firmen beantragt wurden, ist damit noch lange keine Vorentscheidung gefallen – die Direktoren der ICANN und die DNSO werden den Bericht recht genau studieren müssen, um aus den detaillierten Anmerkungen zu den einzelnen Anträgen Kriterien herauszufieseln, welche neuen TLDs von welchem Registrar sie denn nun akzeptieren sollen. Zu entsprechenden Anmerkungen der Autoren in ihrem Bericht gab es aber im ICANN-Diskussionsforum bereits heftigen Widerspruch: So präferiert die Untersuchung bei .web etwa einen finanzstarken Registrar vor einer kleineren Firma. Dies stehe allerdings im Widerspruch dazu, den Wettbwerb unter den Registraturen auch durch die Einführung neuer TLDs zu verstärken, hieß es in ersten Kommentaren. Und wer überhaupt über die Einführung neuer TLDs und die Beauftragung der Firmen entscheidet, ist ebenfalls umstritten: Im Vorfeld der ICANN-Tagung gab es heftige Auseinandersetzungen, ob die durch die ICANN-Mitglieder gewählten Direktoren bereits mitentscheiden oder erst zum Ende der Versammlung, also nach dem Beschluss über die TLDs, ihre Posten einnehmen. (jk)