ICANN-Direktoren räumen Versäumnisse ein

Die Vertreter der Registrare hatten ICANN unter anderem Vertrauensbruch und Verletzung der eigenen Satzung bei der Vergabe des .net-Vertrages an VeriSign vorgeworfen.

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Von
  • Monika Ermert

Versäumnisse in der Kommunikation innerhalb der Internet Corporation for Assigned Names and Numbers (ICANN) räumte heute der Vorsitzende des ICANN-Vorstands, Vint Cerf, ein. Cerf sagte zum Auftakt der Sitzung der Direktoren heute in Luxemburg, sowohl im Vorstand wie auch in den Gremien habe es einige Enttäuschung über die mangelnde Transparenz bei der Ausarbeitung des .net-Vertrages mit VeriSign gegeben. "Ich entschuldige mich dafür, dass wir Eure Erwartungen nicht erfüllt haben. Wir sind dabei etwas zu ändern", so Cerf.

Insbesondere die Vertreter der Registrare hatten ICANN einen Vertrauensbruch und auch eine Verletzung der eigenen Satzung vorgeworfen, da VeriSign die Aufhebung der Preisgrenzen und eine variable Preisgestaltung zugestanden worden war. Laut ICANN-Satzung und entsprechend einer Abmachung zwischen Registraren und ICANN-Büro hätten die Registrare den neuen .net-Vertrag kommentieren dürfen. "Wenn ich mein Scheckbuch daheim wieder aufmache, soll ich den Scheck für ICANN ausschreiben, oder soll ich das Geld meinem Broker geben, um VeriSign-Aktien zu kaufen?", fragte der indische Registrar und Chef der Registrargruppe innerhalb der ICANN die ICANN-Direktoren diese Woche.

VeriSign assistierte der ICANN nun bei der ersten Schadensbegrenzung. Cerf kündigte an, das die alte und neue .net-Registry sich bereit erklärt habe, die Verhandlungen "über die Struktur der Preisobergrenze" neu zu eröffnen und außerdem einer ausgedehnten Frist für Kommentare zum so genannten Registry-Registrar-Vertrag zustimme. Aus der ICANN war zu vernehmen, dass der Rechtsstreit zwischen den Parteien, der Ablauf des alten .net Vertrags am 30. Juni und die daraus resultierende Empfehlung des US-Handelsministeriums auf einen raschen Abschluss die Situation kompliziert habe.

Mit einem anderen Bewerber wären die Verhandlungen leichter gewesen, sagte ICANN-Justiziar John Jeffries. Marcus Fauré, Mitglied im Core++ Bewerberkonsortium bestätigte das mit dem Angebot an ICANN, an Ort und Stelle den von ICANN vorgeschlagenen Modellvertrag zu unterzeichnen. Doch auf dieses Angebot kann die Organisation nicht mehr eingehen. Auch die von einem europäischen GAC-Vertreter geäußerte Enttäuschung darüber, dass keine Wettbewerbsverfahren von Seiten der Kommission in Gang gesetzt worden sei, kommt zu spät. Die Regierungen fühlten sich für die .net-Debatten, laut ihrem Vertreter im Vorstand, nicht zuständig.

Die harte Kritik der gesamten restlichen Community in Luxemburg beantwortete der Vorstand mit weiteren Zugeständnissen für mehr Transparenz. So sollen künftig etwa Abstimmungsverhältnisse während der Telefonkonferenzen der Direktoren protokolliert und veröffentlicht werden. Den Direktoren selbst steht es frei, in diesem Zusammenhang ihre Entscheidung fürs Protokoll zu begründen. Gerade den Kritikern der .net-Entscheidung unter den Direktoren -- immerhin vier der 15 stimmten gegen die Vergabe an VeriSign, drei enthielten sich -- war dies offensichtlich ein Anliegen.

Auch beim 23-Millionen-Dollar-Budget entsprach ICANN in einem Punkt den Empfehlungen aus den verschiedenen Gremien. Die Ausgaben für umstrittene Budgetposten wie die Einrichtung weiterer regionaler Büros, etwa in Asien oder Afrika, sollen auf dem aktuellen Stand eingefroren werden. Auch Ausgaben für eine Förderung der Einsetzung von DNSSec und bei der Fortentwicklung von internationalisierten Domains stehen noch auf dem Prüfstand. Der Chef des Finanzkomitees der ICANN, Ex-Telekom-Manager Hagen Hultzsch, sagte gegenüber heise online, die Organisation müsse ihr Budget in den kommenden Jahren bis auf 50 Millionen US-Dollar aufstocken, um Reservern zu bilden. "Ich sehe das als meinen Job an." Aber eine solche Ausweitung des Budgets, einhergehend mit der Aufstockung des Personals, stößt bei den Beitragszahlern, den Registraren, die über 90 Prozent des Budgets finanzieren, auf Ablehnung.

Auch die Länderdomains, die ICANN gerne stärker zur Kasse bitten will, sind widerspenstig. Denic-Vorstandsfrau Sabine Dolderer schüttelt den Kopf zur Aufforderung von Seiten der ICANN, sich mit dem "fairen Betrag" von etwas über einer Million US-Dollar zu beteiligen. Finanzreserven für die ICANN mahnte allerdings auch ICANN-Direktor Thomas Niles, ehemaliger amerikanischer Diplomat und inzwischen Chef des US International Business Council, an: "Wir brauchen eine Finanzreserve für unsichere Zeiten, die könnten durchaus vor uns liegen." (Monika Ermert) / (pmz)