IDF: Weg mit den Kabeln

Intels CTO Justin Rattner hat auf dem IDF ein Versprechen von 2002 eingelöst und gezeigt, woran das Unternehmen in Kooperation mit Netzwerkausstattern und Mobilfunkprovider forscht: Generell sollen so viele Kabel wie möglich verschwinden.

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Von
  • Florian Müssig

Intels CTO Justin Rattner freut sich, dass der Rosepoint-Chip mit Atom-Kernen und digitalen Funkschaltungen endlich Realität ist.

Intels CTO (Chief Technology Officer) Justin Rattner hat den letzten Tag des IDF genutzt, um ein Versprechen einzulösen, dass der mittlerweile zu VMWare gewechselte Ex-Chef Pat Gelsinger auf seiner IDF-Keynote anno 2002 gegeben hat: der Wechsel von analogen zu digitalen Funkadaptern und deren Integration auf demselben Chip wie Prozessorlogik. Viele Details des Rosepoint genannten Chips hatte Intel schon Anfang 2012 auf der ISSCC enthüllt, mittlerweile wird der Chip in einem 32-nm-SoC-Prozess gefertigt. Die Funkschaltungen hätten ähnliche Charakteristika und Energieeffizienz wie derzeitige analoge Schaltungen, ließen sich aber künftig wie CPU-Logik an Fertigungsverfahren mit kleineren Strukturbreiten anpassen.

Generell sollen so viele Kabel wie möglich verschwinden: Intel ist Mitglied der WiGig-Allianz, die derzeit am künftigen Funkstandard IEEE 802.11ad arbeitet. Solche Adapter funken im 60-GHz-Spektrum (WLAN: 2,4 / 5 GHz) und können auf kurze Distanzen hohe Datenraten bereitstellen, was Rattner auch demonstierte: Ein Ultrabook holte sich von einer externen Festplatte, die an ein WiGig-Dock angeschlossen war, ein HD-Video und stellte es auf zwei am Dock angeschlossenen Full-HD-Monitoren dar. In diesem Szenario spielen die Nachteile von 60-GHz-Funk keine Rolle: 802.11ad funktioniert nur bei Sichtverbindungen und kommt nicht die Wände hindurch.

Ein Ultrabook-Prototyp holt sich per 802.11ad ein HD-Video von einer externen Festplatte und gibt den Stream genauso drahtlos wieder aus.

Rattner zeigte dann, wie man künftig die Akkulaufzeiten verbessern will: Indem WLAN-Module den Hauptprozessor weiter entlasten. Unter dem Codenamen Spring Meadow arbeite man derzeit an WLAN-Chips, die nicht für das jeweilige Gerät bestimmte Pakete selbstständig verwerfen und nicht an den Prozessor weiterreichen. Letzterer würde nichts anderes tun, muss für die Entscheidung darüber aber erst aufwändig aus seiner Tiefschlafphase aufgeweckt werden. Wann Spring Meadow in konkrete Produkte einfließt, wollte Rattner nicht sagen. Möglicherweise wird es schon in der nächsten Generation der Centrino-Chips so weit sein, hat Intel bislang doch noch keine WLAN-Adapter für schnellen 802.11ac-Funk vorgestellt.

Rattner stellte aber nicht nur Verbesserungen auf der Client-Seite in Aussicht, sondern auch bei der Infrastruktur. Durch die (mobile) Nutzung von Videodiensten steige der Internet-Traffic derzeit um jährlich 32 Prozent. Um bestehende Übertragungswege besser auszulasten, warb Rattner für das Video Aware Wireless Network (VAWN), an dem man seit einiger Zeit in Kooperation mit dem Netzwerkausstatter Cisco, dem Netzbetreiber Verizon sowie mehrere Universitäten arbeite.

Bei Video Aware Wireless Network (VAWN) müssen alle beteiligten Komponenten mitspielen, damit möglichst viele Clients ruckelfreie Videoströme über eine bandbreitenlimitierte Funkverbindung bekommen.

Schließlich will Rattner die Intelligenz von Mobilfunknetzen nicht mehr in den einzelnen Basisstationen sehen, sondern diese in Datenzentren sammeln – an der Basisstation selbst soll nur noch die Antennen selbst vorgehalten werden. Die Rechenkapazität von Basisstationen sei derzeit gnadenlos überdimensionert, weil die einzelnen Zellen auf eine mögliches Maximum an Nutzern und Durchsatz ausgelegt sein müssen, im Mittel aber deutlich darunter arbeiten würden. Das verschwendet laut Rattner unnötig Energie und sei außerdem ein Kostenfaktor: Netzbetreiber müssen die Zellenauslegung auf das Maximum schließlich bezahlen.

Die Lösung besteht aus zwei Stufen. Zunächst müsse der Protokollstack nicht in spezieller Hardware, sondern als Software realisiert werden, was man bereits vor einem Jahr gezeigt habe: Ein handsüblicher PC mit Sandy-Bridge-CPU hat damals eine in Software gegossene LTE-Basisstation ausgeführt. Der Vorteil einer Software-Lösung sei zudem, dass man bei neuen Funkstadards oder Erweiterungen einfach ein Software-Update einspielen könne, statt neue Hardware kaufen müsse.

Die zweite Stufe sei Cloud Radio Access Network: Bei C-RAN läuft die Basisstation-Software auf Servern in Rechenzentren, wo eine Lastverteilung stattfinde: So könne nachts ein Server viele Basisstationen mit jeweils wenigen Nutzern ausführen, während zur Rushhour mehr Server jeweils weniger Basisstationen ausführen. Der nächste logische Schritt dessen sei die Virtualisierung, sodass die Workload-Portierung und die Erweiterung noch einfacher und schneller gehe.

Intel arbeitet nicht alleine an C-RAN, sondern hat mit China Mobile einen der weltgrößten Mobilfunk-Provider mit über 600 Millionen Kunden an Bord. Eine Vertreterin von China Mobiles Forschungsabteilung bekräftigte die Vorteile mit konkreten Zahlen: Die Energiekosten für den Betrieb der Basisstations-Hardware machen rund 70 Prozent der gesamten Energiekosten des Unternehmens aus. Außerdem wolle man das Funknetz schneller erweitern können: Allein diesem Jahr plant China Mobile noch 20.000 neue LTE-Stationen in Betrieb zu nehmen, im nächsten Jahr 200.000 und 2014 weitere 250.000. (mue)