IETF-Reformen: no Sponsor, no T-Shirt

Die Internet Engineering Task Force (IETF), als offenes, internationales Gremium für die Standardisierung der Internet-Techniken und -Architektur verantwortlich, laboriert an ihrer Reform.

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  • Monika Ermert

Die Internet Engineering Task Force (IETF), als offenes, internationales Gremium für die Standardisierung der Internet-Techniken und -Architektur verantwortlich, laboriert an ihrer Reform. Bei der 60. IETF-Tagung in San Diego in der vergangenen Woche hat der aktuelle IETF-Vorsitzende, der Norweger Harald Alvestrand, vorgeschlagen, eine hauptamtliche Stelle für die Administration und Sekretariatsaufgaben zu schaffen. Bislang schließt die wichtigste Standardisierungsorganisation für IP-basierte Protokolle Verträge fast ausschließlich per Handschlag. Der neue Verwalter -- oder die neue Verwalterin -- sollen nun für auf dem Markt eingekaufte Dienstleistungen Ausschreibungen machen. Für einen genauen Vorschlag hat sich die IETF im Mai Carl Malamud, Gründer des Internet Multicast Consortium und früher einer der Chefs des Internet Software Consortium, Entwickler des DNS-Servers BIND, als Berater ins "Haus" geholt.

Getroffen von dem jetzt vorgelegten Vorschlag fühlte sich offensichtlich vor allem der bisherige Sekretariatsdienstleister, die Corporation for National Research Initiatives (CNRI). Der CNRI-Ableger Foretec Seminars war bislang faktisch das IETF-Sekretariat. Bob Kahn, einer der Internet-Väter und heute Chef des CNRI, sagte in San Diego: "Es geht hier um nichts weniger als darum, dass die Architektur des Internet im öffentlichen Interesse entwickelt werden kann." CNRI habe die IETF zur zentralen Standardisierungsorganisation gemacht, meinte Kahn, und auch finanziell unterstützt. Daher sei er überrascht, dass Alvestrand und Leslie Daigle, Chefin des Internet Architecture Board (IAB), sein Angebot nicht angenommen hatten, gemeinsam eine neue Non-Profit-Organisation zu gründen.

Ted Hardie, Mitglied des IETF-Leitgremiums Internet Engineering Steering Group (IESG) und Autor mehrerer RFCs zum Reformprozess, betonte, nicht nur der CNRI, sondern Kahn persönlich gebühre Dank. "Wir haben gelernt, dass wir auf Persönlichkeiten wie Vint [Cerf], Jon [Postel] und Kahn vertrauen können, aber wir wissen auch, dass wir eine Struktur brauchen, die auch Harald, Leslie und Fred (Baker) überdauern." Baker, Vorstandsmitglied der Internet Society, erklärte, der neue Verwaltungsangestellte werde voraussichtlich nominell bei der ISOC angestellt, die auch den so genannten RFC-Editor, die eigentliche Herausgabe der einmal verabschiedeten Standards, finanziert.

Löcher im Budget der IETF waren mit Hauptanstoß für die vor zwei Jahren gestarteten Reformbemühungen der IETF. Seit 2002 fehlt der angesehenen Organisation Geld, weil die Teilnehmerzahlen bei den IETF-Treffen dramatisch zurückgegangen sind. Die Teilnahmegebühren sind neben Sponsorgeldern für die Treffen die wichtigste Einnahmequelle der Standardisierungsorganisation. 2004 könnte die IETF zum ersten Mal rote Zahlen schreiben, bislang konnte man noch auf Reserven zurückgreifen. Die von Alvestrand gestartete Reformdebatte geht über die Neuerungen bei der Verwaltung weit hinaus. Gleich mehrere IETF-Arbeitsgruppen und Teams arbeiten gerade an einem Update für die in die Jahre gekommene Techie-Organisation.

Damit Standards wieder schneller verabschiedet werden können, soll zum Beispiel die Arbeit neu verteilt werden. Die Leiter der Arbeitsgruppen sollen die stark belasteten Bereichsdirektoren (Area Directors) bei der Peer Review mehr unterstützen. Ganz vorsichtig gehen die Techniker dabei zu Werke: Erst einmal experimentell soll die neue Arbeitsverteilung überprüft werden und auch die Arbeitsgruppen übergreifende Peer Review wird erst nur in einzelnen Bereichen ausprobiert. Sogar, wie die Experimente abzulaufen haben, wird genauestens geregelt.

Insgesamt soll die Verteilung der Beurteilung neuer Standards auf mehrere Schultern auch die Qualität der Standards sichern; gegen die schlampige Abfassung von RFCs sind Bemühungen gerichtet, nachrückenden Autoren die Anforderungen zu vermitteln. Während solche Bemühungen im Zusammenhang mit dem bereits gestarteten Generationenwechsel von der Gründer- zur Enkelgeneration gesehen werden können, sind andere dem härter werdenden Technologiemarkt geschuldet. Rough Consensus und Running Code, wie sie als Basis für die IETF-Entscheidungen bislang festgelegt sind, funktionieren nicht in allen Fällen, schreibt Hardie im entsprechenden RFC-Entwurf. Immer häufiger kommt es vor, dass die IETF sich für einen von mehreren Standards entscheiden muss, jüngstes Beispiel ist das viel beachtete Rennen um eine Anti-Spam-Technik.

In San Diego bekam Phil Gross, erster offizieller Vorsitzender der IETF in ihrer noch gar nicht so langen Geschichte, den Jon-Postel-Preis verliehen. Gross hatte dafür gesorgt, dass die IETF den Schritt zu einer finanziell von der US-Regierung unabhängigen, selbst verwalteten Organisation schaffte. Heute wird schon an den T-Shirts gespart, beklagte sich ein Teilnehmer des San-Diego-Treffens: Weil es an Sponsoren fehlte, verzichtete man auf die bislang an die Teilnehmer einer IETF-Tagung verteilten Shirts. Vielleicht wären für die neue IETF auch weitere Kleidungsstücke angebracht. Wieso nicht eine IETF-Krawatte, fragte ein deutscher Teilnehmer ... (Monika Ermert) / (jk)