IFPI wollte die Gunst der Stunde nutzen

Der deutsche Verband der Tonträgerhersteller forderte von Websites die Löschung von Links zu Napster.

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Von
  • Florian Rötzer

Die einstweilige Verfügung der Richterin in Kalifornien gegen Napster ist am 26. Juli ergangen, bis Freitag, 24 Uhr Ortszeit, den Zugriff auf alle copyrightgeschützten Musikdateien zu verhindern. Das hätte bedeutet, alle Server vom Netz zu nehmen. Darüber freute sich natürlich auch die deutsche Landesgruppe der International Federation of the Phonographic Industry (IFPI) und verkündete: "Dieses Urteil ist ein Meilenstein im Kampf gegen den Musikdiebstahl im Internet."

Und weil gerade alles so günstig lief, schickte am Freitag, den 28. Juli, der Justitiar des Verbands, Clemens Rasch, an einige deutsche Websites wie www.mpex.net, www.zdnet.de, www.mp3-world.net oder www.gnutella.de noch überstürzt einen Brief mit der Aufforderung, bis zum 29.7., 17 Uhr die "unter der oben aufgeführten URL nebst ihrer Untersites verfügbar gemachten rechtsverletzenden Angebote zu speeren und von Ihrem Server zu löschen bzw. löschen zu lassen." Rechtschreibfehler übrigens original.

Napster aber konnte noch in einer vom Berufungsgericht des 9. US-Justizbezirks erfolgten Eilentscheidung erreichen, dass die einstweilige Verfügung aufgehoben wurde und die Server so am Netz bleiben konnten, weil Fragen über Begründung und Form der einstweiligen Verfügung aufgetaucht seien. Diese Möglichkeit aber hatte offenbar Clemens Rasch nicht bedacht, sondern wollte gleich zur Tat schreiten. In seinem als Email verschickten Brief steht in der Betreffzeile: "Internet-Homepage mit unautorisierten Musikaufnahmen", man habe festgestellt, "daß auf Ihrem Server unter der URL ... der Dienst der Firma Napster.com zugänglich gemacht wird." Wahrscheinlich hat sich Clemens Rasch aber keinen guten Dienst mit seinem Schnellschuss erwiesen, denn es geht noch unbedachter in einem an sich recht kurzen Brief weiter: "Wie Sie den Medienveröffentlichungen entnommen haben werden, hat das Distrikt Gericht in San Francisco, Kalifornien den Dienst von MP3.com per Einstweiliger Verfügung verboten, weil durch die Verbreitung von Musikaufnahmen die Urheber- und Leistungsschutzrechte unserer Mitgliedsfirmen und der ihnen verbundenen ausübenden Künstler an diesen Aufnahmen verletzt werden. Auch die Verfügbarmachung des Dienstes von Napster.com per Hyperlink ist rechtsverletzend."

Natürlich hat das Gericht nicht einmal den Dienst Napster verboten, geschweige denn MP3.com. "Die anderen Betreiber und wir haben uns dazu entschlossen", so Lars Gollnow von www.gnutella.de, "dieser Aufforderung nicht nachzukommen und werten diesen als Einschüchterungsversuch."

Mehr in Telepolis: Schnellschuss der deutschen Landesgruppe der IFPI geht daneben. (fr)