IPv6: ITU und RIPE streiten um den optimalen Adressplan

Bisher können Verwalter großer Netze selbst entscheiden, wie sie den zugeteilten IPv6-Adressraum nutzen wollen. Nun melden sich Fachleute mit Vorschlägen zu festen Strukturen.

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IPv6: ITU und RIPE streiten um den optimalen Adressplan

(Bild: InnoRoute)

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Ein Adressplan zur einheitlichen Nummerierung von IPv6-Subnetzen aus dem Haus der International Telecommunication Union (ITU) wurde beim 76. Treffen des RIPE in Marseille scharf kritisiert. Voller Fehler, unnötig und sinnlos sei der Vorschlag, wetterten Experten der IPv6-Arbeitsgruppe der für Europa und den Nahen Osten zuständigen Adressverwaltung. Ein Vertreter der deutschen Regierung warnte, der gerade für die deutsche Verwaltung entwickelte Adressplan werde durch den ITU-Vorschlag in Frage gestellt.

Der Streit über die Aufgabenverteilung im Bereich der Standardisierung und Vergabe von IP-Adressen ist alt. Immer wieder hatte die ITU mit der Idee geliebäugelt, sich als fünfter IP-Adressverwalter zu etablieren. Doch die Vorstöße führten regelmäßig zu Auseinandersetzungen mit den Regionalen Internet Registries (RIRs).

Stets hatte die UN-Organisation darauf verwiesen, dass gerade die Entwicklungsländer die ITU im Telekommunikationsbereich viel eher als Anlaufstelle betrachten als die RIRs. Den jüngsten Vorschlag begründete Sebastian Ziegler von der Consulting Agentur Mandat International mit dem Hinweis auf einen digitalen Graben: In vielen Entwicklungsländern sei das fürs Internet der Dinge und Smart Cities notwendige IPv6 noch nicht angekommen.

Die ITU möchte daher die Subnet-ID anders nutzen als bisher. Als Grundlage dient eine Subnet-ID aus 16 Bit. Dafür hat sich die ITU ein eigenes Mapping ausgedacht, das Ziegler vorstellte: Die ersten vier Bits (A) sollen Locations, also etwa Gebäude, identifizieren. Die folgenden 4 Bits des Block B sollen die Infrastruktur signalisieren und öffentliche Server, interne Server, Local Area Networks, IoT-Netze oder vom Nutzer spezifizierte Kategorien enthalten. Der dritte und vierte Block (C und D) sollen zur Nummerierung spezifischer Subnetze genutzt werden. Block A und Block D sollen jedoch auf 0 gesetzt werden, wenn ein Mapping mit IPv4 und damit eine kürzere Adresse notwendig ist. Der Vorteil für Entwicklungsländer bestehe laut den ITU-Autoren darin, dass sie sich selbst keine eigenen Adresspläne überlegen müssten.

Die IPv6-Experten des RIPE konnten dem Vorschlag nichts abgewinnen. Eine Lösung für ein nicht bestehendes Problem sei der Plan und obendrein "unsinnig". Benedikt Stockebrand, einer der Vorsitzenden der IPv6-Arbeitsgruppe warnte, die Verwendung eines Teils der IPv6-Adressen für spezielle Nomenklaturen, verkürze die Lebenszeit des Adressraums. Und Firewalls hätten die verschiedenen Klassen, IPv4- und IPv6-Varianten zusätzlich zu prüfen.

Widerspruch kam auch von ansonsten freundlich gesinnter Stelle: Ausgerechnet einer der IPv6-Experten des Bundesinnenministeriums wandte sich deutlich dagegen: Würde das ITU-Schema angenommen und gar verbindlich, würde das den Adressplan des BMI obsolet machen oder den Adressbedarf sogar noch weiter erhöhen. Die Local Internet Registry (LIR) des Bundes hatte zunächst einen /26-Block, der aber zu klein war, um die Infrastrukturen von Ländern und Gemeinden zu subnettieren. Nun darf sie gar einen /23-Block nutzen, der aber beim Umsetzen des ITU-Vorschlags dennoch zu klein wäre.

Auch das Münchner Unternehmen InnoRoute macht sich Gedanken um einen IPv6-Adressplan. Dabei geht es um die Verkürzung von Latenzen per Cut-Through-Forwarding, das dem Internet of Things zugute kommen soll. Das Schema orientiert sich am internationalen Telefonnummernplan e164. InnoRoute-Gründer Andreas Foglar hat als Beispiel einem TrustNode-Router in seinem Münchner Büro das Präfix AF49 8945 2416 84-- zugeordnet. Über den Rufnummernplan lassen sich die darunter liegenden "Anschlüsse" im Stil von Telefon-Durchwahlen automatisch anbinden. Die EU fördert die Arbeit im Rahmen des 5G-Forschungsprojekts Charisma.

Natürlich nutze er offiziell nicht vergebenen IPv6-Adressraum, räumt Foglar ein. Im Rahmen des Testprojekts, an dem mehrere Partner in Deutschland mitarbeiten, soll "running code" entstehen. Letzteren will Foglar auch bei der IETF einbringen. Erst einmal aber geht es im Sommer zur ITU. Die hat an der Idee mit dem Rufnummern-Schema großes Interesse gezeigt.

Das RIPE stellt sich auch diesem Vorschlag entgegen: Die Verheiratung des starren Nummernplans e164 mit den Routing-Tabellen sei kaum vorstellbar. Anders als das hierarchisch organisierte e164 haben IPv4 und IPv6 "Identifier auf Zeit", so Marco Hogewoning. Diese definieren Netzwerkgrenzen und ermöglichen unter den jeweiligen Präfixen, den jeweils schnellsten, kürzesten oder billigsten Weg zur Bestimmungsadresse zu finden. (dz)