IT-Größen und Universitäten fördern Open Innovation

Vier US-Konzerne und sieben Hochschulen wollen die offene Entwicklung von Software im Forschungsbereich verbessern und dazu auf die Durchsetzung geistiger Eigentumsrechte verzichten.

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Vier US-Konzerne aus der Computerbranche und sieben Hochschulen wollen die offene Entwicklung von Software im Forschungsbereich verbessern und dazu auf die Durchsetzung geistiger Eigentumsrechte verzichten. Sie haben sich dazu auf Prinzipien zur "Open Collaboration" (PDF-Datei) verständigt, die sie unter der Ägide der Ewing Marion Kauffman Foundation seit dem Sommer vorangetrieben haben. Damit soll eine von Patent- und Lizenzstreitigkeiten frei gehaltene Code-Allmende unter dem Titel "Free Public Commons" begründet werden. Hauptziel hinter den bislang einzigartigen Bemühungen ist es, die Verbreitung von grundlegendem Forschungswissen bei Software und damit zugleich die Innovation im Computersektor zu fördern.

Die Vereinbarung wird auf Wirtschaftsseite getragen von IBM, Hewlett-Packard, Intel und Cisco. Zu den akademischen Pionieren gehören das Rensselaer Polytechnic Institute, das Georgia Institute of Technology sowie die Universitäten Stanford, Berkeley, Carnegie Mellon, Illinois und Texas. Die Partner verpflichten sich mit den offenen Kollaborationsregeln, das bei der Zusammenarbeit geschaffene geistige Eigentum sowohl für den akademischen als auch den kommerziellen Einsatz "für alle Mitglieder der Öffentlichkeit" freizugeben. Bedingung ist, dass die an sich geschützten Entwicklungen in offene Entwicklungen wie Open-Source-Projekte und Standards der Software-Industrie einfließen oder mit ihrer Hilfe die Interoperabilität zwischen Computerprogrammen verbessert wird.

Konkret verpflichten sich die Beteiligten, zum einen, Patente oder Patentanträge kostenlos für die Implementierung der davon betroffenen Standards oder Software zur Verfügung zu stellen. Dafür soll es in der Regel ausreichen, die entsprechenden Code-Eingaben für die Allmende unter eine frei zu wählende Open-Source-Lizenz zu stellen. Auch auf Tantiemen für Urheberrechte verzichten die Kooperationspartner gemäß der Vereinbarung, insofern sie selbst darüber entscheiden können. Falls die Einhaltung dieser Regeln einmal nicht möglich sein soll, sind die anderen Teilnehmer an der Forschungsallmende "zeitnah" darüber zu informieren. Dazu kommen Schutzmechanismen gegen Missbrauch: Sollte ein Nutznießer der Öffentlichkeit sich dazu entschließen, mit Hilfe eigener geistiger Eigentumsrechte gegen das offene Kollaborationsprojekt vorzugehen, werden ihm seine Nutzungsprivilegien entzogen.

Vorschusslorbeeren erhält der Vorstoß von Peter Freeman, stellvertretender Direktor für Informatik und Ingenieurswissenschaften der National Science Foundation (NSF): Seiner Ansicht nach kommt in der Forschung im Stadium vor dem Start des eigentlichen Wettbewerbs alles auf die Förderung der Wissenschaft an, während der Kampf um geistiges Eigentum in dieser Phase hinderlich sei. Dies würden beide Seiten nun anerkennen. Momentan klagen Vertreter von Unternehmen und universitären Forschungseinrichtungen darüber, dass das Aushandeln von Lizenzen über die Nutzung von Patenten und Urheberrechten viel Zeit und Geld kostet und das Innovationstempo der schnelllebigen Branche deutlich abbremst.

Leitlinien, die eigentlich Akademiker zur besseren Verwertung ihrer Forschungsergebnisse in der Wirtschaft bringen und letztlich weitere Entwicklungsanreize geben sollten, hätten "ungewollte Nebenfolgen" entwickelt, klagt Lesa Mitchell von der Kauffmann-Stiftung. Sie verweist etwa auf das so genannte Bayh-Dole-Gesetz von 1980. Es ermöglicht Universitäten, Patente auf Entwicklungen zu beantragen, die mit öffentlichen Mitteln gefördert wurden. Seitdem ist ein regelrechter Wettkampf um potenzielle Lizenzeinnahmen entbrannt.

Dem geistigen Eigentum wollen die Beteiligten keineswegs generell Adieu sagen. Vielmehr handelt es sich um einen temporären Nichtangriffspakt, um der Grundlagenforschung in einem speziellen Wirtschaftsbereich wieder mehr Geltung zu verschaffen. Einen Schutz vor böswilligen Angreifern auf Grund potenzieller Patenverletzungen bietet das geplante Verfahren nicht. Pate der Idee stand der Trend zur Anlage von Patent-Pools rund um Linux, auf die sich namhafte Promoter des frei verfügbaren Betriebssystems jüngst geeinigt hatten. Kritiker halten derlei "Softwarepatent-Allmenden" allerdings für ineffizient, solange der Überhitzung des Patentsystems an sich nicht entgegengewirkt wird.

Offenere Forschungsnetzwerke sind eine der Hauptforderung der Vertreter des "Open Innovation"-Ansatzes, den der Berkeley-Forscher Henry Chesbrough 2003 bekannt gemacht hat. Er erklärte die Hochzeit nach außen abgeriegelter firmeneigener Forschungslabors für passé und bricht seitdem eine Lanze für die Einbeziehung weiterer Partner in umfassendere Innovationsnetzwerke. Eine Abschwächung "geistiger Eigentumsrechte" hält Chesbrough aber nicht wirklich für nötig. Der Austausch von Lizenzen ist seiner Ansicht nach ausreichend für eine erfolgreiche Vermarktung offen und kollaborativ entwickelter Innovationen.

Zu den Auseinandersetzungen um Softwarepatente siehe den Artikel auf c't aktuell (mit Linkliste zu den wichtigsten Artikeln aus der Berichterstattung auf heise online):

(Stefan Krempl) / (jk)