ITU-Konferenz will die Weichen neu stellen

Auf der 17. Konferenz der International Telecommunication Union geht es um die Neuausrichtung der Vereinigung und die Wahl eines neuen Generalsekretärs. Gute Chancen hat der Präsident der deutschen Bundesnetzagentur.

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Von
  • Monika Ermert

Die Mitgliedsländer der International Telecommunication Union (ITU) sind am heutigen Montagmorgen zu ihrer 17. Generalkonferenz in der türkischen Hafenstadt Antalya zusammengekommen. Auf der alle vier Jahre zusammentreffenden Konferenz der Bevollmächtigten soll ein neuer Generalsekretär gewählt werden. Die Delegierten werden auch über die Reform und künftige Ausrichtung der ITU ringen, deren Vorläuferorganisationen bis ins Jahr 1865 zurückreichen. Die ursprünglich für klassische Telekommunikation zuständige Organisation müsse entscheiden, "ob wir mit unseren archaischen, dogmatischen Traditionen weitermachen oder diese aufgeben, um mit den pragmatischen Winden der Veränderung segeln", sagte der scheidende Generalsekretär Yoshio Utsumi. Er hoffe für die nächsten drei Wochen auf mutige Entscheidungen, damit die ITU zum Fahnenträger der Informationsgesellschaft werden könne.

Der ITU waren unter Utsumi immer wieder "Machtgelüste" in Bezug auf Regeln für das Internet nachgesagt worden. Utsumi bedauerte in seiner Eröffnungsrede, dass internationale Regierungen beim Weltgipfel der Informationsgesellschaft (WSIS) trotz der "ITU Führungsrolle" mit dem Internet Governance Forum (IGF) ein neues Gremium geschaffen haben. "Der traditionelle Arbeitsstil der ITU – durch Studiengruppen und technische Standardisierung – wurde als ungeeignet erachtet, eine flexiblere Herangehensweise wird benötigt", sagte Utsumi.

Utsumi riet der ITU, das Thema Informationsgesellschaft zu priorisieren. Ganz in diesem Sinne haben einige afrikanische Mitgliedsländer Vorschläge unterbreitet, das Mandat der ITU zu erweitern, um die im Rahmen des WSIS-Folgeprozesses übertragenen Aufgaben widerzuspiegeln, heißt es auf der ITU-Webseite. Die Forderungen der afrikanischen Länder reichen dabei bis hin zu einer Änderung der Grundlagenabkommen der Union. Offiziell betraut wurde die ITU unter anderem mit der weiteren Koordination beim Thema Cybersecurity. "Cybersecurity wird eines der heißen Themen hier in Antalya sein," sagte Bob Shaw von der Strategie-Abteilung der ITU.

Von Seiten der europäischen Mitgliedsländer liegt laut ITU ein Vorschlag auf dem Tisch, der Frequenz-Management, konvergente Telekommunikationsstandards sowie Netzwerk-, Applikations- und Dienstesicherheit im Internet vom ITU-Mandat gedeckt sieht, einschließlich des Themas Spam. Ein neuer Name soll anderen Vorschlägen zufolge das neue Selbstverständnis widerspiegeln, so solle "Telecommunication" durch "Infocommunication" ersetzt werden. Ein US-Vertreter warnte allerdings in der ersten Plenumssitzung, alle Überlegungen zur strategischen Ausrichtung müssten auf jeden Fall auch mit der Finanzreform in Einklang gebracht werden. Der ITU-Vertreter hatte in der Pressekonferenz die Neuordnung der Finanzen als weiteres Thema von entscheidender Bedeutung bei der laufenden Sitzung bezeichnet.

Der ITU fehlen im Budget für 2006/2007 rund 33,3 Millionen Schweizer Franken, etwa fünf Prozent des geplanten Gesamtbudgets von gut 662 Millionen Schweizer Franken. Die ITU schlägt daher eine Erhöhung der Beitragseinheiten von 318.000 Schweizer Franken auf 325.000 Schweizer Franken vor. Die Mitgliedsstaaten entscheiden jeweils selbst darüber, wie viele dieser Beitragseinheiten sie übernehmen. Auch der von den Privatunternehmen erhobene Beitrag soll von einem Fünftel auf ein Viertel der Beitragseinheit steigen. Damit würde sich der Anteil der Privatwirtschaft am Gesamtbudget der ITU erhöhen. Derzeit tragen die Mitgliedsstaaten knapp 70 Prozent des Budgets, die Unternehmen knapp 12 Prozent. Angesicht der Finanzdiskussion ist auch klar, warum sich bislang die ITU mit der Teilhabe für die Nichtregierungsorganisationen so schwer tat. Diese haben nämlich, so heißt es auf der ITU-Webseite, beschränkten finanziellen Spielraum.

Aus deutscher Sicht ist bei der Sitzung in Antalya nicht zuletzt von Interesse, ob der Chef der Bundesnetzagentur, Matthias Kurth, das Rennen um Utsumis Nachfolge machen kann und dann die neue Fahne hochhalten muss. Kurth tritt gegen dem Schweizer Marc Furrer, Utsumis Stellvertreter Roberto Blois aus Brasilien, die Jordanierin Muna Nijem, den Tunesier Montasser Ouali und Hamadoun Touré aus Mali an, der derzeit Direktor des ITU Büros für Telekommunikation und Entwicklung ist. Die Chancen des Deutschen stehen Beobachtern zufolge nicht schlecht. Kurth sagte am Rande des Internet Governance Forum in der vergangenen Woche, natürlich hoffe er nach einem Wahlkampf auch darauf, die Wahl zu gewinnen. Neben dem Generalsekretär werden auch dessen Stellvertreter, die Direktoren der drei Hauptbüros der ITU (Telecommunication Standardization, Radiocommunication und Telecommunication Development), die Mitglieder der Kammer für "Radiocommunication" sowie die 46 Mitglieder des ITU Rates gewählt. Auch da möchte Deutschland wieder einziehen. (Monika Ermert) / (vbr)