ITU will Registry für IP-Adressen werden

Die International Telecommunication Union soll eine "sechste IP-Adressvergabestelle" werden -- die Organisation würde damit neben den selbst verwalteten regionalen IP-Registries IPv6-Adressen vergeben.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 60 Kommentare lesen
Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Monika Ermert

Die International Telecommunication Union (ITU) soll eine "sechste IP-Adressvergabestelle" werden -- die Organisation zur Vereinheitlichung und länderübergreifenden Koordinierung der Telefonnetze würde damit neben den selbst verwalteten regionalen IP-Registries (RIR) RIPE, APNIC, ARIN, LacNIC und Afrinic IPv6-Adressen vergeben. Diesen seit längerem diskutierten Vorschlag will der Direktor des Standardisierungsbüros der ITU, Houlin Zhao, dem ITU-Council vorlegen, der kommende Woche in Genf tagt.

Gegenüber heise online betonte Zhao, dass sein Vorschlag für mehr Wettbewerb sorgen soll. Monopole seien unzeitgemäß im Kommunikationssektor; "sie haben im Telekommunikationsmarkt der Zukunft keine Chance". Seine Ideen seien in dieser Hinsicht teilweise falsch verstanden worden: "Wir wollen nicht selbst ein Monopol sein, sondern eine zusätzliche Vergabestelle", versicherte Zhao. Die Nutzer könnten dann ihrerseits auswählen, ob sie ihre Adressen als Mitglieder des RIR-Systems beziehen oder über den "ITU-Tree". In Letzterem sollen Adressblöcke von der ITU kostenlos an nationale Regierungen beziehungsweise Regulierer oder auch mit der Aufgabe betraute Private gehen.

Versäumnisse und Mängel bei der Vergabe von IPv4 rechtfertigten nicht zuletzt die Idee eines "dualen Systems", meinte Zhao im Gespräch mit heise online. Ein Kritikpunkt sei, dass es keinen Adressplan gebe. "Bei der Telefonie haben wir eine Struktur von Ländercodes und geographischen Codes." Ein solcher Plan ermögliche eine deutliche bessere Ausnutzung des begrenzten Nummernraumes. Bei der Vergabe von IPv4 sei vor Enstehen der RIRs allzu verschwenderisch mit den Adressen umgegangen worden. Ergebnis war das bekannte Ungleichgewicht in der Adressverteilung, meinte Zhao, das dazu führte, dass 100 Millionen chinesische User aktuell mit 60 Millionen IP-Adressen auskommen müssen. "Wenn Länder wie Indien hinzukommen, wird es noch schlimmer."

Auch nach der Gründung der RIRs bestünden Probleme fort: "Warum soll jemand, der nur wenige Adressen braucht, dennoch einen ganzen Block erhalten?", fragte Zhao. Zudem fehle ein Mechanismus, ungenutzte Adressen wieder dem Gesamtpool zuzuführen. Für IPv6 müsse man sich dringend Gedanken über solche Fragen machen. Die Kritik an seinem Vorschlag, er werde die Routing-Tabellen zum Überlaufen bringen, wies Zhao zurück: "Immerhin hat man doch auch zwei neue RIRs geschaffen, warum sollte es da nicht ein drittes geben." Mit Blick auf eine stärker geographisch orientierte Vergabe verwies er auf Bemühungen der RIRs, die übrigens sehr gute Arbeit leisteten, Provider durchaus aus regionalen Blöcken zu bedienen. Gern wolle er übrigens mit den RIRs sehr eng zusammenarbeiten, was eine einheitliche Vergabepolitik anbelange. Es sei durchaus möglich, dass die ITU mit ihren regionalen Standardisierungsgruppen entsprechende Vergabepolicies erarbeite und dadurch die RIRs unterstütze. Auf der anderen Seite wolle die ITU operativ gar nicht unbedingt aktiv werden. "Ich kann mir vorstellen, dass wir das outsourcen. Zum Beispiel könnte RIPE das für uns machen."

Regulierung von oben, operatives Geschäft in Privathand? Einen solchen Eingriff in ihre Selbstverwaltung dürften die RIRs entschieden von sich weisen. Sie haben mehrfach darauf hingewiesen, dass angesichts des funktionierenden, nicht-kommerziellen Systems kein Bedarf nach Wettbewerb bestehe. Im Gegenteil widerspreche die IP-Adressvergabe der Wettbewerbsidee, denn es gehe gerade nicht darum, so viel wie möglich IP-Adressen auf den Markt zu werfen. Befürchten müssen die RIRs auch, dass im Falle konkurrierender Adress-Vergaberichtlinien schnell die Forderung nach der Bevorzugung der Regeln erhoben wird, an denen Regierungen in welcher Form auch immer mitgewirkt haben.

Unterstützung bekamen dir RIRs derweil von der Privatwirtschaft in Gestalt der Internationalen Handelskammer (ICC). Sie warnte in einem Papier vor Expansionsgelüsten bei der ITU. Der ITU fehle es an "Mandat, notwendiger Erfahrung oder auch nur den notwendigen Strukturen" für die Übernahme einer solchen Aufgabe. "Die ICC hält Anstrengungen der ITU, die Aufgaben anderer zu übernehmen, für kontraproduktiv," schreibt die ICC der ITU ins Stammbuch. (Monika Ermert) / (jk)