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Im CeBIT-Partnerland Kalifornien ziehen dunkle Wolken auf

Düstere Stimmung im Silicon Valley – verliert das Epizentrum der US-IT-Wirtschaft seine Strahlkraft? Veteranen wie Ex-Intel-Chef Andy Grove scheinen das zu glauben: Zu viel Web-2.0-Mischmasch, zu wenig Technologie.

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Von
  • dpa

Kalifornien, das Partnerland der CeBIT 2009, erscheint den Machern der weltgrößten Computermesse als eine Art gelobtes Land. "Kalifornien hat es geschafft, das Silicon Valley über lange Zeit hochinnovativ zu halten", sagt August-Wilhelm Scheer, Präsident des Branchenverbandes Bitkom. "Dort entstehen neue Technologien, die unser Leben verändern – wenn wir an Unternehmen wie Google denken oder in der Web-2.0-Ära Unternehmen wie Facebook." "Kalifornien als Partnerland kann für eine Aufbruchstimmung sorgen", betont Ernst Raue, der im Vorstand der Deutschen Messe AG für die CeBIT zuständig ist. Der CeBIT-Chef schwärmt von der "unglaublichen Dynamik", die mit der Kommerzialisierung des Web 2.0 entstanden sei.

Kernland des kalifornischen Technologie-Booms ist das Silicon Valley südlich von San Francisco. Als Geburtsort des High-Tech-Mekkas gilt die sprichwörtlich gewordenen Garage von William Hewlett und David Packard, die hier 1939 das Weltunternehmen Hewlett-Packard gründeten. In den 60er- und 70er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts trieben Halbleiterunternehmen wie Intel den Aufstieg des Silicon Valley voran.

Forschungseinrichtungen wie das legendäre Xerox PARC in Palo Alto und Apple in Cupertino begründeten dann in den 80er-Jahren die PC-Industrie. Zur einzigartigen Melange im Valley trugen aber auch Elite-Universitäten wie die Stanford University sowie Risikokapitalgeber wie Sequoia Capital oder Kleiner Perkins bei. So wurden Google und Sun Microsystems von Stanford-Absolventen gegründet.

Inzwischen ziehen aber über dem kalifornischen High-Tech-Wunderland auch dunkle Wolken auf. In den USA wird offen diskutiert, ob das Silicon Valley nicht seine Magie verloren habe. Angeheizt wurde die Debatte durch eine Titel-Story des Wirtschaftsmagazins BusinessWeek, in der Technologie-Reporter Steve Hamm nach einer mehrwöchigen Tour im Valley von einem Niedergang der amerikanischen Vorzeigeregion berichtete.

Als Kronzeugen für seine These bot Hamm keinen geringeren als Andy Grove auf, den ehemaligen Chef des Chip-Giganten Intel. In dem Interview mit Hamm regte sich Grove insbesondere über den Begriff "Exit-Strategie" auf, mit dem viele Gründer von Startup-Unternehmen ein Ausstiegsszenario beschreiben, das in der Regel aus einer Übernahme durch einen größeren Marktteilnehmer besteht. "Intel hatte nie eine Exit-Strategie. In diesen Tagen schustern die Leute irgendwas zusammen. Es gibt kein Kapital. Keine Technologie." Maßstab sei allein die erzielte Reichweite und die damit verbundenen Werbeeinnahmen. "Und dann wollen sie es wieder loswerden. Auf diesem Mischmasch kann man kein Imperium aufbauen. Man kann es noch nicht einmal versuchen."

Die Attacke von Grove auf die Web-2.0-Ökonomie löste im Silicon Valley ein kleines Erdbeben aus. Schließlich hat der 72 Jahre alte Intel-Mitbegründer in der High-Tech-Branche noch immer den Status, den in Deutschland ein Franz Beckenbauer im Fußball genießt. Zur Erschütterung trug dann noch eine aktuelle Studie bei, wonach die Rezession Ende 2008 auch das Silicon Valley erreicht hat: Dem "Silicon Valley Index" zufolge sank in der High-Tech-Region Beschäftigung und Durchschnittseinkommen erstmals seit Jahren. Angesichts der Krise stand auch deutlich weniger Risikokapital für Startup-Unternehmen zur Verfügung, das nicht genannte Volumen sank um 7,7 Prozent.

Mittlerweile melden sich aber auch andere Meinungsführer zu Wort, die davor warnen, das Silicon Valley und eine ganze Branche schlechtzureden. Marc Andreessen, der Gründer von Netscape und heute ein wichtiger Risikokapitalgeber in Kalifornien, warnte eindringlich davor, die aktuelle Wirtschaftskrise mit dem Platzen der Internet-Blase im Jahr 2001 gleichzusetzen.

"Damals liefen wir vorweg, waren quasi die Nase des Hundes. Wir waren vielleicht der Grund, aber zumindest ein Haupt-Katalysator des Börsencrashs. Heute bilden wir den Schwanz des Hundes. Wir sind bislang am wenigsten von der Krise betroffen", sagte Andreessen in einem viel beachteten TV-Interview mit PBS-Journalist Charlie Rose. Das liege vor allem daran, dass Silicon-Valley-Unternehmen in der Regel nicht kreditfinanziert seien, sondern über die Vergabe von Unternehmensanteilen.

"Die große Rezession, die durch die Finanzmarktkrise ausgelöst wurde, wird aber natürlich auch Auswirkungen auf uns haben", meinte Andreessen. Gleichzeitig liege in der Krise aber auch eine Chance. "Die Innovation wird andauern." Und nach einem wirtschaftlichen Aufschwung, wann immer der auch wieder einsetzen werde, würden diese Innovationen dann auch sichtbar. "Genau das ist auch das letzte Mal passiert. Google entwickelte Innovationen während des Crashs, Facebook hat das getan, YouTube auch." (Christoph Dernbach, dpa) / (vbr)