Im Widerspruch zu Einstein: Große Strukturen im Universum wachsen zu langsam

Eigentlich liefern unsere Theorien genaue Werte dafür, wie schnell etwa Galaxienhaufen wachsen müssten. Irgendwas leistet da aber offenbar Widerstand.

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Sternenhimmel

(Bild: faboi/Shutterstock.com)

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Gigantische Strukturen im Universum wachsen langsamer, als die Allgemeine Relativitätstheorie es vorhersagt. Das hat ein Forschungsteam der Universität von Michigan ermittelt und erklärt, dass etwa riesige Ansammlungen aus Galaxien langsamer dichter und noch viel größere Hohlräume im Kosmos langsamer leerer werden als erwartet. Mit zunehmenden Alter des Universums und bis zum heutigen Tag werde die Differenz immer ausgeprägter, schreibt die Gruppe, die keine Erklärung für den Fund angibt. Ein mit der Zeit zunehmender Widerstand gegen das Wachstum großer kosmischer Strukturen könnte aber eine Diskrepanz in der Kosmologie erklären, die in den vergangenen Jahren immer ausgeprägter wurde.

Wie die Gruppe um Minh Nguyen in Erinnerung ruft, sind Galaxien im Universum nicht gleichmäßig verteilt, stattdessen gleicht die großflächige Struktur eher einem riesigen Spinnennetz. Da, wo dort die Fäden wären, versammeln sich im Kosmos die Galaxien, besonders eng wird es an den Knoten. Gleichzeitig gibt es dazwischen immense Hohlräume. Aus der Allgemeinen Relativitätstheorie geht nun hervor, wie schnell diese Strukturen wachsen müssten, nun sei genau die Abweichung deutlich geworden. Gehe man davon aus, dass die bisher nicht direkt beobachtete Dunkle Energie dieses Wachstum eigentlich beschleunigen sollte, werde die Diskrepanz noch ausgeprägter, schreibt das Team. Veröffentlicht wurde die Arbeit in den Physical Review Letters.

Ermittelt hat das Forschungsteam die Geschwindigkeit des Strukturwachstums mithilfe des komischen Mikrowellenhintergrunds für das frühe Universum und von Gravitationslinsen für den späteren Kosmos. Dabei haben sie jeweils vermessen, wie stark die jeweilige Strahlung auf dem Weg zu uns abgelenkt und verzerrt wurde. Schließlich haben sie die Bewegung von Galaxien im nahen Universum vermessen und so ein vergleichsweise komplettes Bild zusammengesetzt. Individuell und insgesamt habe sich dann gezeigt, dass irgendwas das Wachstum behindert, schreibt die Gruppe: "Entweder übersehen wir systematische Fehler in jeder einzelnen dieser Messungen oder aber uns entgeht irgendeine neue, späte Physik im Standardmodell", meint Nguyen.

Während das Ergebnis aber nicht zur Allgemeinen Relativitätstheorie und anderen grundlegenden Annahmen zum Universum passt, könnte es aber eine Diskrepanz auflösen, die seit Jahren beobachtet wird, schreibt das Team noch. Bei der "S8 tension" geht es um widersprüchliche Ergebnisse zur Homogenität des Universums. Daten zum jungen Universum passen dabei gut zueinander und solche zu späteren Zuständen auch. Nur miteinander waren die bislang nicht in Einklang zu bringen. Das erinnert an die hartnäckige Diskrepanz bei der Ermittlung der Hubble-Konstante. Wenn irgendetwas mit zunehmenden Alter des Universums das Wachstum großer Strukturen behindere, könnte das den Widerspruch auflösen, schreibt das Team jetzt. Nur eine Erklärung fehlt damit immer noch.

(mho)