Polizei warnt: immer mehr Kinderpornos, Gewalt und Rassismus in Schüler-Chats

In Chat-Gruppen werden immer häufiger Pornos und Gewaltvideos geteilt, oft auch rassistische Witze. Das ist strafbar, warnt die Polizei in Baden-Württemberg.

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Immer mehr Pornovideos in Schüler-Chats – Polizei warnt vor Folgen

(Bild: DisobeyArt/Shutterstock.com)

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In Schüler-Chat-Gruppen und unter Jugendlichen wird immer häufiger kinder- und jugendpornografisches Material geteilt. Die Zahl der Tatverdächtigen unter 21 Jahren hat bei Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung im vergangenen Jahr um 45,6 Prozent auf 2063 zugelegt, wie das baden-württembergische Innenministerium mitteilt.

"Das liegt insbesondere an der enormen Zunahme von Fällen im Bereich der Verbreitung pornografischer Schriften sowie dem Verbreiten, Erwerb, Besitz und Herstellen von Kinderpornografie", heißt es in der Polizeilichen Kriminalstatistik 2019 weiter.

Auch beim Haus des Jugendrechts in Heilbronn häufen sich die Fälle, in denen Mitglieder von Chat-Gruppen illegale Dateien – oftmals ohne Aufforderung anderer Gruppenmitglieder – einstellen. "Hierbei handelt es sich nicht selten um gewaltverherrlichende, rassistische und volksverhetzende, porno- und kinderpornografische Bild- und Videodateien", sagte ein Heilbronner Polizeisprecher vor einer Informationsveranstaltung am Mittwoch in der Neckarstadt.

Besorgniserregend sei unter anderem, dass sich vor allem Kinder und Jugendliche etwa in WhatsApp-Gruppen oder auf Social-Media-Plattformen aufhielten, in denen sich bis zu 1000 weitere Teilnehmer eingebucht hätten. "Stellt einer dieser Teilnehmer zum Beispiel ein kinderpornografisches Bild ein, verbreitet er dies im Sinne des Strafgesetzbuchs", warnte der Polizeisprecher. "Alle in der Gruppe sind dadurch im Besitz dieser Datei und machen sich ebenso strafbar."

Das Landeskriminalamt beobachtet den Trend: "Generell merken wir, dass die Fälle zunehmen", sagte ein LKA-Sprecher. Die meisten Jugendlichen seien sich ihrer Lage nicht bewusst, da sie über mangelndes Unrechtsbewusstsein verfügten, wenn es um Bildmaterial gehe. "Sie sehen das Opfer hinter dem Bild nicht, sondern nur die "atemberaubende" Botschaft des Bildes an sich."

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Markus Koths, Experte für Cybercrime beim Bundeskriminalamt, fordert deshalb eine stärkere Aufklärung von Jugendlichen im Umgang mit Smartphones und den sozialen Netzwerken. "Hier wäre zum Beispiel die Einführung von Medienkompetenz als Schulfach ein wichtiger Schritt", sagte Koths im vergangenen Februar den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. Genauso seien die Eltern gefordert, das Nutzungsverhalten ihrer Kinder zu kennen und mit ihnen darüber frühzeitig zu reden.

"Das Problem ist nicht das Smartphone selbst, sondern dass Kinder einen verantwortungsbewussten Umgang damit lernen müssen", sagte auch der Kölner Medienrechtler Christian Solmecke gegenüber dpa. Auch online solle man sich so verhalten, wie man sich in der analogen Welt verhalten würde. "Denn auch wenn es viele nicht mehr hören können, ist das Internet kein rechtsfreier Raum. Es sollte dort also genauso wenig beleidigt werden wie von Angesicht zu Angesicht."

Strafrechtlich verantwortlich sind Jugendliche erst ab ihrem 14. Geburtstag. Wer jünger ist, gilt laut Strafgesetzbuch (StGB) als "schuldunfähig" und kann darum nicht bestraft werden. Außerdem gilt in Deutschland keine strafrechtliche "Haftung" für die Taten anderer, Eltern haften also keineswegs für ihre Kinder. Solmecke warnt zudem, bei kinder- oder jugendpornografischem Material in WhatsApp-Gruppen sei die Schwelle zur Strafbarkeit schnell überschritten. "Nutzer sollten das Material tatsächlich nach Erhalt unverzüglich löschen", rät der Jurist.

Studien zu Sexting zeigen, dass etwa 12 Prozent der Jugendlichen schon einmal sexualisierte Bilder verschickt und bis zu 38 Prozent auch entsprechende Bilder erhalten haben. Der hessischen Speak!-Studie aus dem Jahr 2017 zufolge seien besonders Mädchen von sexualisierter Gewalt im Internet betroffen.

Auch zeige sich, dass Jugendliche aus der Ober- und Mittelschicht signifikant weniger betroffen seien, als Jugendliche aus der (unteren) Unterschicht. In den verschiedenen Bildungsgängen offenbarten "sich keine signifikanten Unterschiede in den Prävalenzraten" und auch nicht in Bezug auf die Frage, ob die Jugendlichen einen Migrationshintergrund haben oder nicht. Als Haupttatort nicht-körperlicher sexualisierter Gewalt für Jugendliche treten zwar die Schulen in Erscheinung, darauf folgt aber sogleich das Internet.

Für Jugendliche ist neben der Schule das Internet der Hauptort für nicht-körperliche sexualisierte Gewalt

(Bild: Speak-Studie)

(mit Material der dpa) / (kbe)