Impfstoffdebatte: PR-Rat rügt geheime Absprachen zwischen Biontech und Twitter

Biontech habe versucht, sich dem öffentlichen Diskurs über Impfstoffpatente auf Twitter zu entziehen und kritische Kommentare zu verhindern, moniert der PR-Rat.

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(Bild: FabrikaSimf/Shutterstock.com)

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Der Deutsche Rat für Public Relations (DRPR) hat Biontech und Twitter alias X offiziell eine Rüge wegen eines Verstoßes gegen das Transparenzgebot des Kommunikationskodex erteilt und verwarnt. Das Organ der freiwilligen Selbstkontrolle der hierzulande tätigen PR-Experten sieht es demnach als erwiesen an, dass der Mainzer Impfstoffhersteller versucht habe, sich der öffentlichen Debatte in sozialen Netzwerken über eine Freigabe von Patenten auf Impfstoffe gegen Covid zu entziehen. Biontech habe Mitte Dezember 2020 eine Twitter-Lobbyistin gebeten, das eigene Konto auf dem Kurznachrichtendienst für zwei Tage zu "verstecken" zu lassen. Damit sollten vorübergehend unter anderem kritische Kommentare nicht mehr möglich sein.

In einer Stellungnahme habe Biontech das Drängen mit konkreten Sicherheitsbedenken begründet, heißt es in dem am Mittwoch veröffentlichten Beschluss vom 7. Juli. Im Kontext der weiteren Twitter-internen Diskussion, die dem DRPR in Auszügen vorliege, sei auf eine Warnung des Bundesamts für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) vor potenziellen Cybersicherheitsrisiken im Kontext des "People’s Vaccine Day" abgestellt worden. Demnach habe die Bonner Behörde Alarm geschlagen wegen drohender "ernsthafter Konsequenzen" einer Online-Kampagne, durch die es zu einer "Flut von Kommentaren", "Übernahme von Twitter-Accounts" und zum Erstellen von Fake-Profilen kommen könne.

In dem Beschluss findet sich der Hinweis, dass die Aktion über das Portal "globaljustice.co.uk" orchestriert worden sei. Gemeint sein dürfte die Domain "globaljustice.org.uk" und damit die virtuelle Heimstätte der Aktivisten von Global Justice Now, die sich weltweit für mehr Gerechtigkeit einsetzen. Am 9. Dezember 2020 veröffentlichten sie gemeinsam mit Partnern wie Amnesty International und Oxfam einen Aufruf an alle im Bereich Covid-Impfstoffen aktiven Pharma-Unternehmen mit Verweis auf die People’s Vaccine Alliance, ihre Technologie und ihre Immaterialgüterrechte über einen Pool der Weltgesundheitsorganisation offen zu teilen und so für eine größere Verbreitung der Vakzine zu sorgen.

Der DRPR erwähnt ihm vorliegende weitere Informationen, wonach die Anfrage der Twitter-Lobbyistin innerhalb des US-Konzerns kontrovers diskutiert worden sei. Dabei sei es zunächst darum gegangen, Twitter-Accounts und Hashtags aus dem thematischen Umfeld der Kampagne für offene Impfstoffe engmaschiger zu beobachten. Auch wenn es Bedenken des Sicherheitsteams der Plattform gegeben habe, seien Konten, Tweets und Hashtags im betreffenden Zeitraum überwacht und teils mit Hinweisen auf die eigenen Nutzungsbedingungen als "irreführende Informationen" gekennzeichnet beziehungsweise herabgestuft worden. Von Twitter sei dazu keine offizielle Stellungnahme zu erhalten gewesen.

"Auch wenn Ursache und Wirkung sowie die konkrete Umsetzung nicht nachweisbar ist, stellen allein die vorliegenden Absprachen zwischen Biontech und Twitter" einen Verstoß gegen das Transparenzgebot dar, schreibt der DRPR. Dies und die Tatsache, "dass weder Twitter noch das BSI einen Beitrag zu einer Klarstellung leisten wollten", veranlasse den Rat, eine Mahnung auszusprechen. Damit zeige man gegenüber den Betroffenen und der ganzen Branche an, im konkreten Fall "ein in der Tendenz schädliches Verhalten für die öffentliche Kommunikation und die freie Meinungsbildung durch Akteure des Berufsfelds" erkannt zu haben. Dazu kommt der Appell, solches Tun künftig zu unterlassen. Laut den "Twitter-Files", die nach der Übernahme des Netzwerks durch Elon Musk veröffentlicht wurden, sollen auf der Plattform kritische Inhalte zu Covid wiederholt gezielt unterdrückt worden sein.

(axk)