Lithium-Ionen-Akkus: Ewigkeitschemikalie "Bis-FASI" auch hierzulande denkbar

Lithium-Ionen-Batterien könnten zunehmend Böden und Gewässer mit PFAS verschmutzen. Das geht aus einer in Nature Communications veröffentlichten Studie hervor.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 134 Kommentare lesen

(Bild: Lightboxx/Shutterstock.com)

Lesezeit: 5 Min.
Inhaltsverzeichnis

Per- und Polyfluorierte Alkylsubstanzen (PFAS) umfassen verschiedene Chemikalien, die aufgrund ihrer chemischen Stabilität über Jahrzehnte bestehen und potenziell Menschen und Umwelt schädigen können; sie sind in Mobiltelefonen, Medizingeräten, Solarpaneelen und weiteren Geräten enthalten. Eine bestimmte Unterklasse namens Bis-Perfluoroalkylsulfonamid (Bis-FASI) wird als Elektrolyt und Bindemittel in Lithium-Ionen-Batterien verwendet. Die Bis-FASI tauchen inzwischen in Boden, Sedimenten, Wasser und Schnee in der Umgebung von Produktionsanlagen auf, wie aus aus einer kürzlich in der Fachzeitschrift Nature Communications veröffentlichten Studie hervorgeht. Die Studienautoren fanden auch Bis-FASI in Flüssigkeiten, die aus Deponien stammten.

Die Forscher nahmen zwischen Januar und Oktober 2022 Wasser-, Sediment- und Bodenproben von 87 verschiedenen Orten in Minnesota, Kentucky, Belgien und Frankreich – speziell in Gebieten in der Nähe von Chemieherstellern wie Arkema und 3M. Letzterer wurde beispielsweise schon für verseuchtes Trinkwasser haftbar gemacht. Die höchste PFAS-Belastung fanden die Forscher am 3M-Standort in Antwerpen. Dort fanden sie speziell hohe Konzentrationen von Bis-FASI. Die Funde würden die Grenzwerte, die die US-Umweltschutzbehörde Environmental Protection Agency in diesem Jahr für andere Arten von PFAS im Trinkwasser festgelegt hat, deutlich übertreffen. Um die Wasserqualität zu ermitteln, nahmen die Forschenden auch große Wasserflöhe (Daphia Magna) zu Hilfe – die Schwimmleistung der Daphnien erlaubte entsprechende Rückschlüsse.

Es ist "nicht auszuschließen, dass diese Verbindung auch in Deutschland in der Umwelt vorkommt", teilt Jona Schule vom Umweltbundesamt (UBA) heise online mit. In einer Studie im Auftrag des UBA wurde das Vorkommen von weniger bekannten PFAS inklusive Bis-FASI untersucht, allerdings keine Vorkommen von Bis-FASI in den Proben gefunden.

"Die Nature Studie bestätigt, dass über den gesamten Lebenszyklus hinweg ein Risiko bezüglich der Freisetzung von PFAS aus Li-Ionen-Batterien besteht, wobei das Risiko bei der Herstellung der PFAS und der Entsorgung der Batterien am größten zu sein scheint. Das Potenzial zur Freisetzung hängt natürlich von den Bedingungen der jeweiligen Anlagen ab. Bei Anlagen, die nach dem neuesten Stand der Technik arbeiten (zum Beispiel mit Abluftabsaugung, thermischer (Nach-)Behandlung, Abwasser- und Abgasabscheidung), wird das Freisetzungspotential als sehr gering eingeschätzt", so der Sprecher.

Das UBA betrachtet jedoch jede Freisetzung von PFAS in die Umwelt als problematisch. "Die Stoffe sind unter natürlichen Bedingungen nicht abbaubar und verbleiben für sehr lange Zeiträume in der Umwelt. Eine Aufreinigung der bestehenden Verschmutzung ist – wenn überhaupt – nur mit sehr hohem technischen und finanziellem Aufwand möglich", heißt es.

Es ist laut UBA daher wichtig, an Alternativen zu forschen, gerade in Hinblick auf die zunehmende Verbreitung von Lithium-Ionen-Batterien. Die Verwendung von PFAS sollte daher so gut es geht reduziert werden und nur noch dort zum Einsatz kommen, wo es keine Alternativen gebe. Nur so ließe sich die Menge an PFAS, welche in die Umwelt gelangen, so weit wie möglich minimieren. Daher beteilige sich das UBA an einem Verfahren zur Beschränkung der Herstellung, Verwendung und des Inverkehrbringens von PFAS in Europa.

Die Autoren der Nature-Studie betonen, dass sie nachhaltige Energie befürworten, weisen jedoch darauf hin, dass die Umweltrisiken der Lithium-Ionen-Akkus evaluiert werden müssten. Bis-FASI werden wahrscheinlich lange Zeit in der Umwelt verbleiben, sind sich die Forscher sicher, könnten aber mit ähnlichen Methoden zur Behandlung anderer Arten von Chemikalien im Trinkwasser gereinigt werden.

Weitere Studien bringen PFAS mit einem höheren Risiko für bestimmte Krebsarten, Leberschäden, hohen Cholesterinspiegel und reproduktive Gesundheitsprobleme, einschließlich eines niedrigeren Geburtsgewichts von Säuglingen, in Verbindung.

In der EU wird über die Ausgestaltung eines PFAS-Verbots diskutiert. Die Europäische Chemikalienagentur (ECHA) hat Anfang 2023 einen Vorschlag für ein Verbot von 10.000 Stoffen eingebracht, seitdem wird über die Details und den Umfang des Verbots diskutiert. Mit einer Entscheidung der Europäischen Kommission rechnen Experten 2025. Je nach Anwendung soll es Übergangsfristen von eineinhalb bis dreizehneinhalb Jahren geben.

Für einige Bereiche wie Wirkstoffe in Arzneimitteln sind unbegrenzte Ausnahmen vorgesehen. Unternehmen müssen daher ihre Lieferketten in Bezug auf PFAS unter die Lupe nehmen, Hersteller geeignete PFAS-Ersatzstoffe finden. Industrievertreter sehen die Ziele des EU-Chip-Gesetzes in Gefahr, das geplante Verbot gefährde den Fortbestand der Halbleiterindustrie. Ende 2023 warnten Medizinprodukthersteller vor einem pauschalen PFAS-Verbot und forderten zudem Übergangsfristen. Diese sind aber geplant.

(mack)