Informationsfreiheitsgesetz in der Kritik

Kritiker bezeichnen aufgeführte Ausnahmeregelungen als 'Verlustliste der Informationsfreiheit'. Der BDI hält das ganze Gesetz für überflüssig.

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Von
  • Richard Sietmann

Der Zielkonflikt zwischen Transparenz und Datenschutz bestimmte am heutigen Montag die Sachverständigen-Anhörung zum geplanten Informationsfreiheitsgesetz (IFG) im Innenausschuss des Bundestages. Die Paragrafen 3 und 4 des insgesamt 15 Paragrafen umfassenden rotgrünen Gesetzentwurfes regeln den Schutz besonderer öffentlicher Belange und behördlicher Entscheidungsprozesse, die Paragrafen 5 und 6 den Schutz personenbezogener Daten sowie von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen.

Ein Anspruch auf Informationszugang besteht etwa nicht, wenn das Bekanntwerden der Information sich nachteilig auf die internationalen Beziehungen, die Belange der inneren und äußeren Sicherheit, auf ein laufendes Gerichtsverfahren oder die fiskalischen Interessen des Bundes auswirken könnte. Die Nachrichtendienste sollen gleich gänzlich den Anfragen kritischer Bürger entzogen bleiben. Soweit das Auskunftsbegehren auf Verwaltungsvorgänge zielt, in denen Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse von Unternehmen tangiert sein könnten -- mangels einer präzisen rechtlichen Definition fällt darunter jegliches wettbewerbsrelevante Knowhow von Unternehmen -- dürften die Auskünfte nur erteilt werden, "soweit der Betroffene eingewilligt hat".

Mit diesen Einschränkungen könne "jede behördliche Ablehnung, Informationszugang zu gewähren, beliebig begründet werden", bemängelte Rechtsanwalt Falk Peters von der European Society for eGovernment (ESG) den Entwurf in der Anhörung. Und der an der Berliner Humboldt-Universität lehrende Staatsrechtler Michael Kloepfer kritisierte besonders den weit gefassten Vorrang der öffentlichen Belange. "Die überaus vielen Ausnahmeregelungen können als 'Verlustliste der Informationsfreiheit' angesehen werden", meinte er. Der in der Gesetzesbegründung beschworene Grundsatz, 'soviel Informationen wie möglich, so viel Geheimnisschutz wie nötig', scheine in dem Gesetz selbst nicht beherzigt, sondern "eher umgekehrt worden zu sein".

Für den Bundesverband der deutschen Industrie (BDI) ist das IFG indes "ein Gesetz, was wir nicht unbedingt brauchen", wie BDI-Vertreter Klaus Bräuning in der Anhörung bekräftigte. Nach Meinung des BDI gewährleisten die bestehenden gesetzlichen Grundlagen einschließlich des Artikel 5 Grundgesetz -- Pressefreiheit -- bereits genügend Transparenz und Offenheit, und in Verwaltungs- und Gerichtsverfahren besitzen die persönlich Beteiligten Akteneinsichtsrechte. "Mehr Bürokratie sollte nicht geschaffen werden", erklärte Bräuning und befürchtet Denial-of-Service-Attacken ganz eigener Art: "Etwaige Missbräuche von Anfragen könnten dazu führen, dass eine punktuelle Lahmlegung bundesbehördlichen Handelns eintritt. Dies wäre bei konzertierten Aktionen Hunderter Interessenten denkbar, die gezielt unterschiedliche Anfragen stellen und Auskunft verlangen."

Für den Staatsrechtler Kloepfer sind solche Befürchtungen "nicht von dieser Welt". Sie halten auch vor dem Hintergrund der bereits gesammelten Erfahrungen in mittlerweile 50 anderen Staaten und den vier Bundesländern Berlin, Brandenburg, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein, in denen es auf Landesebene bereits ein Informationsfreiheitsgesetz gibt, "einer empirischen Überprüfung schlicht nicht stand", wie Manfred Redelfs als Sprecher von netzwerk recherche, der Humanistischen Union und der Journalistenverbände DJV und dju (Ver.di) erklärte. "Es ist nirgendwo zu einer Überlastung der Ämter, zu Missbrauchsfällen oder einer Kostensteigerung gekommen".

In Schleswig-Holstein beispielsweise waren in den ersten zwei Jahren nach dem Inkrafttreten des Informationsfreiheitsgesetzes 2000 Anträge gestellt worden, von denen die Hälfte der Ämter gar nicht betroffen war, berichtete Redelfs den Abgeordneten. Auf die übrigen Ämter entfielen durchschnittlich fünf Anträge -- "da kann man sicherlich nicht von einer Überlastung sprechen". In 88 Prozent der Fälle konnten die Informationen zugänglich gemacht werden, meist innerhalb von einer Woche; in den restlichen Fällen hätten die Informationen meist gar nicht vorgelegen und nur recht selten hätte der Schutz von Unternehmensgeheimnissen oder personenbezogener Daten von Dritten überhaupt eine Rolle gespielt.

"Die Wirtschaftsverbände haben sich mit einem weitgehenden Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen durchgesetzt", bedauerte Peter Eigen von Transparency International. Während der Gesetzentwurf in dem Konflikt zwischen Informationszugang und Schutz personenbezogener Daten eine Abwägung der unterschiedlichen Interessen verlangt, werde das, was ein Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis ist, "faktisch weitgehend durch das jeweilige Unternehmen bestimmt". Nach Meinung des Brandenburger Landesbeauftragten für den Datenschutz und das Recht auf Akteneinsicht, Alexander Dix, sollte jedoch die Festlegung, ob es sich bei privatwirtschaftliche Unternehmen betreffende Informationen um Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse handelt, "auch der objektiven Prüfung durch die aktenführende Stelle unterliegen".

Die rotgrünen Koalitionäre sehen den Gesetzentwurf zur Zeit noch eher als einen Einstieg in den freien Informationszugang für jedermann denn schon als das Gelbe vom Ei an. Der mühsam ausgehandelte Kompromiss ziele auf "vertrauensbildende Maßnahmen, keine Widerstand leistende Verwaltung", betonte der Berichterstatter der SPD-Fraktion im Innenausschuss, Michael Bürsch. So soll das IFG auch nur ein 'Gesetz auf Probe' mit einer auf fünf Jahre befristeten Geltungsdauer sein. Innerhalb dieser Zeit wollen Bundesregierung und Bundestag die praktischen Erfahrungen auswerten, damit das Parlament dann erneut darüber befinden kann. (Richard Sietmann) / (tol)