Informationsfreiheitsgesetze in Hamburg und Mecklenburg-Vorpommern liegen auf Eis

In beiden Bundesländern gibt es Streit um die Ansprüche der Bürger zur Akteneinsicht bei Behörden; der hamburgische Landesdatenschutzbeauftragter will nicht für die Informationsfreiheit zuständig sein.

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Bestrebungen zur Einführung von Informationsfreiheitsgesetzen in Hamburg und Mecklenburg-Vorpommern kommen auch nach Inkrafttreten der entsprechenden Regelungen zur Akteneinsicht auf Bundesebene nicht voran.

In der Hansestadt hat die Bürgerschaft die Beratungen über Pläne, den Bürgern mehr Auskunftsrechte gegenüber den Landesbehörden zu erteilen, am gestrigen Mittwoch ergebnislos vertagt. Dem Rechtsausschuss lagen drei Entwürfe für ein Informationsfreiheitsgesetz von den Grünen, der SPD sowie der CDU vor. Diese weisen inhaltlich aber noch wenig Gemeinsamkeiten auf. Zudem ist streitig, ob die Bürger in Hamburg einen zentralen Ombudsmann für die Durchsetzung ihrer Rechte erhalten.

In Schwerin nahm das rot-rote Regierungskabinett in dieser Woche die geplante Verabschiedung eines Gesetzesentwurfs der Linkspartei für ein Informationsfreiheitsgesetz von der Tagesordnung, da es noch Differenzen mit der SPD gab. Das von der PDS geforderte Informationsfreiheitsgesetz soll den Bürgern prinzipiell einen freien Zugang zu allen Akten der öffentlichen Landesverwaltung gewähren. Ein Koalitionsausschuss soll die offenen Fragen in Mecklenburg-Vorpommern nun klären.

In Hamburg setzte die FDP 2002 ein Informationsfreiheitsgesetz auf die Agenda (PDF-Datei). Auch die Grün-Alternative Liste (GAL) und die SPD der Hansestadt nahmen sich der Sache an. Relativ weit geht das GAL-Papier (PDF-Datei), das jeder Person einen Anspruch auf Zugang zu den Behördeninformationen verschaffen will. Ausnahmen sind etwa für den "Schutz öffentlicher Belange und der Rechtsdurchsetzung", bei Geschäftsgeheimnissen oder personenbezogenen Daten vorgesehen. Nicht anwendbar sein soll das Gesetz ferner auf das Landesparlament selbst oder auf den Landesrechnungshof. Einen vergleichbaren Ansatz vertritt die SPD (PDF-Datei). Ihre Vorlage enthält im Ausnahmenkatalog zusätzlich eine Klausel zum "Schutz des behördlichen Entscheidungsbildungsprozesses". Damit soll etwa die Herausgabe von Informationen verhindert werden, welche "die Funktionsfähigkeit und die Eigenverantwortung des Senats" gefährden könnten.

Die Hamburger CDU sprang spät auf den Zug auf. Ihr Abgeordneter Kai Voet van Vormizeele kritisierte bei der ersten Beratung im Januar 2005 zwar das Amtsgeheimnis und seine fanatische Verteidigung durch die Bürokratie mit Max Weber als "nicht motivierbare Attitüde". Informationsfreiheit sei ein "wichtiger rechtsstaatlicher Grundsatz", betonte er. Der Datenschutz dürfe aber nicht ausgehebelt, die Verwaltung nicht lahm gelegt werden. Ein noch nicht offiziell öffentlich gemachter erster Entwurf (PDF-Datei) der Konservativen lehnt sich prinzipiell an das Vorbild auf Bundesebene an, geht aber im Ausnahmekatalog noch darüber hinaus. So will die CDU etwa nicht nur die Bürgerschaft, den Landesdatenschutzbeauftragten oder den Rechnungshof geschützt wissen, wenn diese als "Unternehmen am Wettbewerb teilnehmen". Ferner soll der Anspruch auf Akteneinsicht nur Bürgern mit Wohnsitz in Hamburg offenstehen. Die Einrichtung eines gesonderten Beauftragten für Informationsfreiheit, der bei Auseinandersetzungen zwischen Bürgern und Behördenmitarbeitern vermitteln soll, ist nicht vorgesehen.

Gunnar Petersen, Rechtsreferent der CDU Hamburg, betonte gegenüber heise online, dass der Entwurf noch nicht endgültig sei. "Damit das Gesetz richtig gut wird, brauchen wir noch einen Moment." Der Hamburgische Datenschutzbeauftragte Hartmut Lubomierski hat aber bereits im Einklang mit dem CDU-Papier erklärt, nicht als Ombudsmann für die Informationsfreiheit zur Verfügung zu stehen. Dies sehen die Entwürfe von GAL und SPD vor. In Berlin, Brandenburg, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein, wo bereits Informationsfreiheitsgesetze gelten, haben Lubomierskis Kollegen diese Aufgabe mit übernommen.

Harald Wollweber vom Büro des Hamburgischen Datenschutzbeauftragten begründete die Ablehnung gegenüber heise online mit "zwei gewichtigen Argumenten": Zum einen plädiere man in der Hansestadt dafür, die nicht zu verleugnenden Gegensätze zwischen Auskunftsbegehren der Bürger und dem Datenschutz "offen und transparent" auszutragen. Dies sei bei einer Entscheidung über beide Bereiche "in Personalunion" kaum zu gewährleisten. Zum anderen verweist Wollweber auf die "sehr angespannte Personalsituation" in seiner Behörde. Die Übernahme einer neuen Funktion sei "nicht verantwortbar", da keine neuen Stellen geschaffen werden sollten. Die guten Erfahrungen mit der Personalunion in anderen Bundesländern hält Wollweber nicht auf die "Metropolregion" Hamburg übertragbar.

Die anderen Fraktionen der Hansestadt kritisieren die Verzögerungen scharf. Der GAL-Rechtsexperte Till Steffen wirft der CDU vor, sie habe Angst vor interessierten Bürgern. Der Rentner, der die Gründe für die Renovierung einer schon zum Abriss freigegebenen Schwimmhalle erfragen wolle, schaue genauso in die Röhre wie Verbraucherschützer oder Journalisten, die Vorsorgemaßnahmen gegen die Vogelgrippe vergleichen wollten. Der stellvertretende Landesvorsitzende und Bundestagsabgeordnete der FDP Hamburg, Burkhardt Müller-Sönksen, forderte die CDU auf, sich nicht länger einem Informationsfreiheitsgesetz zu verweigern, das diesen Namen verdiene. Hamburg drohe beim Recht zur Einsicht in amtliche Verwaltungsvorgänge "zum Schlusslicht" zu werden.

Siehe zum Informationsfreiheitsgesetz auch:

(Stefan Krempl) / (jk)