Innenminister wollen strengere Prüfung von PC-Spielen

Politiker kritisieren, dass Folgeversionen indizierter Computerspiele von den Prüfstellen angeblich durchgewinkt würden. Bayerns Innenminister Beckstein fordert Herstellungsverbote.

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Von
  • Sven-Olaf Suhl

Die Innenminister einiger Bundesländer sind mit der Praxis bei der Prüfung von möglicherweise jugendgefährdenden Computerspielen unzufrieden. Brandenburgs Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) etwa spricht von einem "unhaltbaren Zustand" und sieht "schnellen Handlungsbedarf", der bayerische Innenminister Günther Beckstein (CSU) fordert gar ein Herstellungsverbot. Die unabhängige Prüfinstanz Unterhaltungssoftware Selbstkontrolle (USK) weist die Kritik indes zurück.

In einem Beitrag der ZDF-Sendung Frontal21 vom 9. November zum Thema wurden als Beispiele "menschenverachtender Spiele" aktuelle Games wie "Doom 3", "Mortal Kombat: Deadly Alliance", "Resident Evil" oder "Silent Scope 3" genannt. Diese Folgeversionen indizierter Spiele seien von den Prüfstellen einfach durchgewinkt worden, obwohl es in ihnen um die realistische Darstellung von Auftragsmorden, Morden mit Kettensägen oder das grausame Verstümmeln von Frauen gehe.

Schönbohm sagte gegenüber Frontal21: "Wenn man sich überlegt, dass die Vorgängerspiele von einer ähnlichen Brutalität und Grausamkeit schon von der Bundesprüfstelle verboten wurden und jetzt nicht, also hier muss eingegriffen werden und hier muss etwas geändert werden." Für den nordrhein-westfälischen Innenminister Fritz Behrens (SPD) stehen die Inhalte der Spiele "diametral den Wertentscheidungen unseres Grundgesetzes entgegen". Behrens sagte gegenüber Frontal21: "So wie es ist, darf es nicht bleiben."

Der bayerische Innenminister Günther Beckstein (CSU) sagte: "Wir brauchen Herstellungsverbote, weil die Technik sich so entwickelt hat, dass der Träger nicht mehr viel kostet und der Preis für Verleihen und Verkaufen nicht mehr sehr unterschiedlich ist." Der Staatsekretär im Bundesfamilienministerium, Peter Ruhenstroth-Bauer, kündigte gegenüber dem ZDF-Magazin eine Überprüfung des Gesetzesvollzugs an: "Ich glaube, dass eine Entscheidung, die sagt, wenn die USK entschieden hat, dann kann die Bundesprüfstelle nicht mehr indizieren, eine ist, die wir noch mal überprüfen müssen."

Für den Leiter der unabhängigen Prüfinstanz Unterhaltungssoftware Selbstkontrolle (USK), Dr. K.-Peter Gerstenberger, ist jedoch eine solche nachträgliche Indizierung praktisch nicht erforderlich, außerdem liege sie außerhalb des rechtlichen Rahmens, den Bund und Länder erst vor kurzem geschaffen hätten. Gegenüber heise online erklärte Gerstenberger, dass die vom ZDF aufgeführten Spiele schon heute allesamt "Erwachsenenprodukte" seien. Ein Händler, der die Spiele an Minderjährige abgebe, müsse mit Strafen von 50.000 Euro und mehr rechnen. Im Übrigen gebe es keine "Genrehaftung" für Computerspiele: Die Folgeversion eines Spiels, dessen Vorgänger als USK 18 eingestuft worden sei, werde nach den gleichen Kriterien geprüft wie eine komplette Neuentwicklung.

Am 1. April 2003 waren gleichzeitig die neuen Bestimmungen zum Jugendmedienschutz, Jugendschutzgesetz (JuSchG) und der Jugendmedienschutz-Staatsvertrag (JMStV) (PDF) in Kraft getreten. Bund und Länder reagierten damit auf das Massaker in einer Erfurter Schule im April 2002 -- in ersten Reaktionen wurden gewaltverherrlichende Computerspiele als möglicher Auslöser der Gewalttat benannt.

Ein Computerspiel, das auf Datenträger vertrieben wurde, nimmt die USK als unabhängige Institution, die von der Branche und aus Prüfgebühren finanziert wird, vor. Die Entscheidung, ob ein Spiel "jugendbeeinträchtigend" (USK 18) ist, verantwortet ein "Ständiger Vertreter" der für den Jugendschutz zuständigen obersten Landesbehörden (OLJB) bei der USK. Die Einstufung durch USK und OLJB ist auch bindend für die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien (BPjM). Damit können die Hersteller der geprüften Spiele darauf vertrauen, die hergestellten Kopien der Spiele auch vertreiben zu können -- die Händler können USK 18-Spiele weiterhin im Laden aufstellen und bewerben. Sie müssen lediglich an der Ladenkasse überprüfen, ob die Käufer volljährig sind. Auch als "jugendgefährdend" eingestufte Spiele dürfen verkauft werden, jedoch besteht für sie ein Präsentationsverbot -- ein möglicher Ausweg ist ein separater Eingang wie bei einer Porno-Videothek. Hingegen kann die BPjM Medien als "gewaltverherrlichend" gemäß §131 des Strafgesetzbuches einstufen, was ein Produktionsverbot und die Beschlagnahme nach sich ziehen kann. Hierbei haben allerdings die Gerichte das letzte Wort. Mit Manhunt hatte die Bundesprüfstelle ein Computerspiel indiziert. Daraufhin verfügte das Amtsgericht München die bundesweite Beschlagnahme von Manhunt. (ssu)