Innere Sicherheit: Datenschützer und Richter mahnen Besonnenheit an

Unmittelbar vor der für Mittwoch erwarteten Entscheidung der Bundesregierung über neue Anti-Terror-Gesetze haben Datenschützer, Juristen und Politiker Besonnenheit angemahnt.

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  • dpa

Unmittelbar vor der für Mittwoch erwarteten Entscheidung der Bundesregierung über neue Anti-Terror-Gesetze haben Datenschützer, Juristen und Politiker Besonnenheit angemahnt. Neben dem Bundesdatenschutzbeauftragten und dem Deutschen Richterbund forderten auch die Grünen mit Blick auf weiter gehende Vorschläge, zunächst "inne zu halten und nachzudenken". Unterdessen brachte die Union die Wiedereinführung der Kronzeugenregelung ins Gespräch. Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) forderte die Einstellung von mehreren zehntausend zusätzlichen Polizisten.

Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) wird dem Kabinett am Mittwoch ein erstes Paket von Gesetzesmaßnahmen zur Verbesserung der inneren Sicherheit vorlegen. Dazu zählt ein neuer Paragraf 129b im Strafgesetzbuch, der die Unterstützung internationaler krimineller Vereinigungen von Deutschland aus unter Strafe stellt. Extremistische Islam-Organisationen sollen sich nicht hinter dem Religionsprivileg im Vereinsrecht verstecken können. Vorgesehen sind zudem schärfere Überprüfungsmöglichkeiten für Personal in Flughäfen. Ferner wird eine Grundsatzentscheidung über eine bessere Auskunftspflicht der Banken erwartet, um Terrorgruppen den Geldhahn zuzudrehen.

Der saarländische Regierungschef Peter Müller (CDU) lehnte die Forderung von Bayerns Innenminister Günther Beckstein (CSU) nach einer Regelanfrage beim Verfassungsschutz für Zuwanderer ab. Über jemanden, der neu ins Land komme, könnten noch gar keine Erkenntnisse vorliegen, sagte er der Saarbrücker Zeitung.

CDU/CSU-Fraktionsvize Wolfgang Bosbach verlangte dagegen in einem dpa-Gespräch eine bessere Identifizierung von Ausländern bereits vor der Einreise nach Deutschland – mit Passbild und Fingerabdrücken schon bei den Visa-Anträgen im Ausland. Auch sollte die Ende der 90er Jahre ausgelaufene Kronzeugenregelung wieder eingeführt werden, und im Haushalt seien neue Schwerpunkte für die Sicherheitspolitik zu setzen. Baden-Württembergs Regierungschef Erwin Teufel (CDU) sprach sich für bewaffnete Sicherheitskräfte bei internationalen Flügen aus.

Der Bundesdatenschutzbeauftragte Joachim Jacob warnte indes vor voreiligen rechtlichen Schlüssen in der Sicherheitsdebatte. "Es ist einfach falsch, in der Öffentlichkeit den Eindruck zu erwecken, das dieses furchtbare Attentat durch weiter reichende rechtliche Befugnisse hätte vermieden werden können."

Auch der Vorsitzende des Deutschen Richterbundes, Geert Mackenroth, mahnte in einem dpa-Gespräch, trotz der Bedrohung durch Terroristen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht über Bord zu werfen. In der notwendigen Diskussion um mehr Sicherheit dürften sich die Politiker jetzt nicht gegenseitig mit Forderungen überbieten. "Wer am lautesten ruft, hat Recht – das kann so nicht gehen."

Der innenpolitische Sprecher der Grünen-Fraktion, Cem Özdemir, kritisierte Vorschläge zum Abbau des Datenschutzes, wie sie auch von Schily ins Gespräch gebracht worden waren. "Es gibt hier Vorschläge, die abenteuerlich sind", sagte er im Fernsehsender Phoenix. Özdemir warnte vor einem Pauschalverdacht gegenüber Asylsuchenden. Auch die Ministerpräsidenten Sachsens und Thüringens, Kurt Biedenkopf und Bernhard Vogel (beide CDU), warnten vor vor voreiligen Schlüssen. Nach einer Sitzung der Kabinette beider Länder in Zwickau sprach Vogel von einer "Fiebrigkeit", mit der das Thema derzeit diskutiert werde. "Ich bin für Regelungen, die dauerhaft sind."

FDP-Präsidiumsmitglied Sabine Leutheusser-Schnarrenberger verlangte von Schily einen umfassenden Situationsbericht zur Ausstattung des Bundeskriminalamtes, des Bundesgrenzschutzes und der Nachrichtendienste. Zugleich forderte sie den Innenminister auf, sich bei "Pauschalverdächtigungen des Datenschutzes" zu mäßigen.

Der GdP-Vorsitzende Konrad Freiberg sagte der Augsburger Allgemeinen, nach der Terrorserie wachse der Polizei die Arbeit über den Kopf. Mit dem organisierten Verbrechen, dem Rechtsextremismus, den Castor-Transporten, der Internetkriminalität und den bevorstehenden Euro-Geldtransporten seien immer neue Herausforderungen entstanden, so dass mehrere zehntausend neue Stellen geschaffen werden müssten. (dpa)/ (cp)