Intel-Krise: Tumult im Board of Directors

Lip-Bu Tan verlässt Intels Verwaltungsrat, angeblich wegen der Firmenausrichtung. Intel scheint sich derweil vor aggressiven Investoren schützen zu wollen.

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(Bild: Sundry Photography/Shutterstock.com)

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Es geht rau zu in Intels Leitungsteam, berichten US-Medien. Offensichtlich ist, dass nicht alles rosig läuft, denn ein wichtiges und renommiertes Mitglied des Verwaltungsrats (Board of Directors) hängt seinen Posten an den Nagel: Lip-Bu Tan.

In einer Mitteilung an die US-Börsenaufsichtsbehörde (SEC) zitiert Intel Tan: "Ich bin dankbar für die Gelegenheit, dem Intel Board of Directors anzugehören. Dies ist eine persönliche Entscheidung, die auf der Notwendigkeit beruht, verschiedene Verpflichtungen neu zu priorisieren, und ich unterstütze das Unternehmen und seine wichtige Arbeit weiterhin."

So weit, so diplomatisch formuliert. Laut der Nachrichtenagentur Reuters soll Tan allerdings mit der Firmenausrichtung des Intel-Chefs Pat Gelsinger nicht einverstanden sein. Tan trat Intels Verwaltungsrat im August 2022 bei und sollte laut firmennaher Quellen die Umstrukturierung hin zu einem Chipauftragsfertiger (Intel Foundry) mit beaufsichtigen.

Er war von 2008 bis 2021 CEO von Cadence – eine wichtige Firma bei der Chipentwicklung, die Design-Tools (Electronic Design Automation, EDA) anbietet und dabei auch eng mit Industriegrößen wie dem Chipauftragsfertiger TSMC zusammenarbeitet. Tan sollte also viel Know-How bei der Chipproduktion mitbringen.

Laut Reuters war Tan frustriert, dass seine Empfehlungen ignoriert wurden, Intel Foundry kundenzentrierter auszurichten und unnötige Bürokratie zu reduzieren. Auch soll er bei der jüngsten Entlassungswelle abweichende Vorstellungen gehabt haben: Demnach wollte er vor allem die mittlere Management-Ebene reduzieren, die wenig zu Intels Ingenieurs-Vorhaben beitrügen. Die Entlassungen betreffen mehr als 15.000 von insgesamt rund 117.000 Stellen.

Intel-CEO Gelsinger sieht sich derweil schweren Zeiten entgegen: Im vergangenen Quartal machte die Firma ein Nettominus von 1,61 Milliarden US-Dollar und erwartet weiter rote Zahlen im jetzt laufenden Quartal. Aktuell fließen viele Milliarden Dollar in die eigenen Halbleiterwerke, mit dem Ziel, ab Ende 2025 mit 18A wieder einen industrieführenden Fertigungsprozess zu haben. Die erste große Kundenwelle wird ab 2026 erwartet – bis dahin dürfte die Durststrecke anhalten. Bisher sind noch keine konkreten Kunden für Chips aus der Intel Foundry bekannt.

Dividendenzahlungen hat Intel vorerst ausgesetzt, was Investoren prinzipiell nicht gefällt. Laut einem Bericht von CNBC soll Intel derzeit mit Beratungsfirmen wie Morgan Stanley zusammenarbeiten, um sich vor "aktivistischen" Investoren zu schützen.

Großaktionäre können Druck auf den Verwaltungsrat ausüben, um die Firmenausrichtung zu überdenken oder im härtesten Fall einen neuen CEO einzusetzen. Ende 2020 drängte der Anteilseigner Third Point etwa zur Auslagerung der Prozessorproduktion – von der übernimmt heute TSMC einen großen Teil. Einerseits verbessert das die Performance der CPUs, andererseits sind Intels-eigenen Halbleiterwerke jetzt nicht mehr ausgelastet, was sehr viel Geld kostet.

(mma)