Schlaganfall-Reha: Exoskelett-Handschuh unterstützt bei Musiktherapie

Ein Exoskelett-Handschuh könnte in der Rehabilitation von Schlaganfall-Patienten eingesetzt werden – besonders im Bereich der Musiktherapie.

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Ein neuartiger Exoskelett-Handschuh kann Schlaganfall-Patienten bei der Rehabilitation, genauer bei der Rehabilitation durch Musiktherapie, helfen. Er ermöglicht den Patienten, durch das Musizieren Fähigkeiten wieder neu zu erlernen, die Geschicklichkeit und Koordination erfordern.

Schlaganfälle sind die häufigste Ursache für Behinderungen bei Erwachsenen in der EU. Rund 1,1 Millionen Menschen sind davon betroffen. Sie benötigen nach einem Schlaganfall spezielle Therapien, um ihre Motorik zu verbessern und in Teilen neu aufzubauen. Eine Option neben Physio- und Ergotherapie ist dabei der Einsatz von Musiktherapie. Sie kann Schlaganfall-Patienten dabei helfen, Sprache und Motorik wiederzuerlangen.

Dazu kann ein intelligenter Exoskelett-Handschuh eingesetzt werden, der von Wissenschaftlern des Department of Ocean & Mechanical Enigineering der Florida Atlantic University entwickelt wurde. Die Forschenden beschreiben den Aufbau des Softroboter-Handschuhs in dem wissenschaftlichen Paper "Feeling the beat: a smart hand exoskeleton for learning to play musical instruments", der nun in der Zeitschrift Frontiers in Robotics and AI veröffentlicht wurde.

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Der Exoskelett-Handschuh ist in mehreren Schichten flexibel aufgebaut und kommt aus dem 3D-Drucker. Die Handfläche sowie der Bereich um das Handgelenk sind weich ausgelegt. Die Form des 191 g leichten Handschuhs kann individuell an die Anatomie des Patienten angepasst werden.

An den Fingerspitzen des Roboter-Handschuhs sind weiche pneumatische Aktuatoren eingearbeitet, die Kraft ausüben und Bewegungen erzeugen. Sie ahmen dabei die natürlichen Handbewegungen fein abgestimmt nach. In den Fingerspitzen befindet sich jeweils ein Feld aus 16 flexiblen Sensoren, auf Basis derer Daten die Aktuatoren dem Träger ein taktiles Feedback geben. Die Herstellung des Handschuhs falle vergleichsweise einfach aus, schreiben die Wissenschaftler. Aktuatoren und Sensoren werden in einem einzigen Gussverfahren in den Handschuh integriert.

"Der Handschuh ist so konzipiert, dass er die natürlichen Bewegungen der Hand unterstützt und verbessert, indem er die Beugung und Streckung der Finger kontrolliert. Der Handschuh führt die Hand, stützt sie und erhöht ihre Geschicklichkeit", beschreibt Erik Engeberg, Professor am Department of Ocean & Mechanical Engineering der Florida Atlantic University und Hauptautor der Studie, das Exoskelett. Der Benutzer, so Engeberg weiter, könne mit ihm die Bewegung jedes einzelnen Fingers kontrollieren.

Schlaganfall-Patienten könnten ein Paar der Handschuhe tragen. So können beide Hände unabhängig voneinander durch das Exoskelett eine Unterstützung erhalten. Dies ermögliche es den Patientinnen und Patienten, Geschicklichkeit, motorische Fähigkeiten und ein Gefühl für Koordination wiederzuerlangen.

Um ihn in der Musiktherapie einsetzen zu können, haben ihm die Wissenschaftler eine gewisse Intelligenz eingehaucht. Mithilfe von Machine Learning (ML) haben sie ihm beigebracht, dass der Träger erfühlen kann, ob ein Lied richtig auf einem Klavier gespielt wird oder nicht. Beispielhaft haben sie das am Kinderlied "Mary had a little lamb" umgesetzt. Der Exoskelett-Handschuh unterstützt die Bewegungen dazu autonom, um das Lied mit vier Fingern spielen zu können. Der Handschuh gibt dabei Rückmeldung durch ein haptisches Feedback oder ein akustisches Signal, wenn der Träger das Lied falsch gespielt hat. Dadurch kann er seine Fehler verstehen und verbessern.

"Wir haben festgestellt, dass der Handschuh lernen kann, zwischen richtigem und falschem Klavierspiel zu unterscheiden. Das bedeutet, dass er ein wertvolles Instrument für die personalisierte Rehabilitation von Menschen sein könnte, die das Musizieren neu erlernen wollen", sagt Engeberg.

Um den Handschuh in anderen Rehabilitationsverfahren einsetzen zu können, ist nach Ansicht der Forschenden noch einige Arbeit zu leisten. Die Genauigkeit des Tastsinns müsste dazu verbessert werden. Auch müsse die Anpassungsfähigkeit und Geschicklichkeit des Exoskelett-Handschuhs noch überarbeitet und die Machine-Learning-Algorithmen so verfeinert werden, dass die Eingaben des Trägers präziser interpretiert werden. So könnte der Handschuh dann besser darauf reagieren.

(olb)