Cebit

Internet-Verbände bündeln ihre Kräfte

Zugangs- und Hostinganbieter (eco-Verband) sowie Inhalteanbieter und Agenturen (BVDW) wollen sich künftig gemeinsam Gehör verschaffen - etwa in Berlin, wo es ihrer Meinung nach "erhebliche Informationsdefizite" gibt, was das Internet betrifft.

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Ein Themenkomplex steht für die deutsche Internetwirtschaft im Jahr 2008 ganz oben auf der Prioritätenliste. Rechtsunsicherheiten bei Haftungsfragen und die Bestrebungen der Rechteinhaber, Serviceprovider für Rechtsverstöße in die Pflicht zunehmen, gefährden das Geschäftsmodell Internet. So zumindest stellt es – bewusst etwas überspitzt – der Verband der deutschen Internetwirtschaft (eco) dar. Auf der CeBIT in Hannover wiederholte eco-Vorstandsmitglied Thomas von Bülow die Forderungen der Branche nach mehr Rechtssicherheit und Übernahme der Kosten, die der Wirtschaft durch staatlich angeordnete Maßnahmen wie die Vorratsdatenspeicherung entstünden. Helfen soll dabei, der Politik ein genaueres Bild der Branche zu vermitteln. Dazu gab der eco eine Kooperation mit dem Bundesverband Digitale Wirtschaft (BVDW) bekannt.

Die vom eco-Verband repräsentierten Zugangs- und Hostinganbieter sehen sich im Spannungsfeld verschiedener Ansprüche. Auf der einen Seite stehen Inhalteanbieter, Staatsanwaltschaften und der Jugendschutz mit Auskunftsersuchen oder Regulierungswünschen; auf der anderen Seite erwarten Kunden eine störungs- und barrierefreie Dienstleistung und einen effektiven Schutz ihrer Daten. Über allem schwebt der Staat, dessen neue Ansprüche neue Investitionen oder Maßnahmen erfordern und dessen Regelwerk die Provider für zu wenig rechtssicher halten. Die Provider wollen sich nicht zum Erfüllungsgehilfen unterschiedlicher Interessen machen lassen.

In der Vergangenheit haben die Interessenvertreter der Medienindustrie mit einigem Erfolg versucht, einen zivilrechtlichen Auskunftsanspruch gegenüber Providern auf die politische Tagesordnung zu setzen. Auch die Musikindustrie, die in Deutschland mit harter Hand gegen die mutmaßlich illegale Verbreitung ihrer Produkte vorgeht, hätte gerne so einen direkten Draht zu den Providern. Bisher geht das nur über eine Strafanzeige, im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens wird dann der einer IP-Adresse zugeordnete Anschlussinhaber ermittelt. Mit solchen Verfahren werden deutsche Staatsanwaltschaften geradezu überschwemmt – nicht nur von der Musikbranche, auch Filmindustrie, Softwarehersteller und neuerdings die Pornobranche fluten die Posteingangsordner der Staatsanwälte.

Ein direkter, zivilrechtlicher Auskunftsanspruch würde diese Lasten auf die Serviceprovider abwälzen, fürchtet die Branche. Deshalb trommeln die Provider für Rechtssicherheit. Auch in Berlin wollen sie sich mehr Gehör verschaffen, um bestehende Regelungen zu präzisieren und neue Begehrlichkeiten der Medienindustrie möglichst abzuwehren. Bei Politikern, so stellt eco-Vorstand Michael Rotert fest, bestünden "in Bezug auf das Internet erhebliche Informationsdefizite". Dabei hält er technisches Basiswissen für viele politische Entscheidungen für "eigentlich unverzichtbar". Darüber hinaus bezögen die Volksvertreter ihre Informationen vorwiegend von Geräteproduzenten und Telekommunikationsanbietern.

Unter anderem, um in Berliner Kreisen für ein "wirklichkeitsnäheres Bild der Branche" zu sorgen, kooperiert der eco-Verband mit dem Bundesverband Digitale Wirtschaft (BVDW), in dem Inhalteanbieter und Agenturen organisiert sind. Für den BVDW sind attraktive Inhalte ein wesentlicher Wettbewerbsfaktor. "Hierzulande hat man gerade erst begonnen zu erkennen, welche Bedeutung zum Beispiel Games für den Standort haben, weil die Debatte viel zu lange ausschließlich um Risiken kreiste", meint BVDW-Präsident Arndt Groth. Abgesehen vom politischen Lobbying soll die Kooperation auch das Thema Aus- und Weiterbildung voranbringen und Netzwerke auf lokaler Ebene schaffen. Beide Verbände wollen ihre jeweiligen Netzwerke nun strategisch verbinden, ihr eigenständiges Profil aber beibehalten.

Zur Antragsflut bei deutschen Staatsanwälten siehe auch:

(vbr)