Interview: DE-CIX am Mittelmeer bringt afrikanischen Content näher an Afrika

Harald Summa, Chef des Internet-Austauschknotens DE-CIX, erklärt im Gespräch mit heise Netze, weshalb die neuen Austauschknoten am Mittelmeer gerade jetzt sinnvoll erscheinen und welche Veränderungen sie auslösen könnten.

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Interview: DE-CIX am Mittelmeer bringt afrikanischen Content näher an Afrika

(Bild: TeleGeography)

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Inhaltsverzeichnis

DE-CIX, der Betreiber des weltgrößten Internet-Austauschknotens in Frankfurt, richtet zwei weitere Knotenpunkte in Palermo und Marseille ein. An den neuen DE-CIX-Standorten will das Unternehmen Netzbetreiber und Inhalte-Anbieter aus dem Mittleren Osten und Afrika zusammenbringen und diese zugleich näher an Europa rücken lassen. Dabei sollen die Betreiber getreu dem Peering-Konzept Daten einfach und direkt miteinander austauschen können, also ohne bilaterale Verträge und zusätzliche Durchleitungskosten, wie sie beim Transit-Konzept üblich sind.

Im Gespräch mit heise-Netze äußert sich Harald Summa, Chef des DE-CIX, zur Wahl der neuen Standorte, der Verschiebung von Verkehrsströmen und zum afrikanischen Content.

Harald Summa, Geschäftsführer des DE-CIX: Schätzungen zufolge liegen zurzeit 80 Prozent des afrikanischen Contents in Europa. Die neuen Angebote sind näher an den Teilnehmern, die Latenz sinkt.

(Bild: DE-CIX)

heise Netze: Der DE-CIX kriegt nach Austauschknoten in Dubai und New York zwei neue Ableger in Palermo und Marseille. Weshalb nicht Amsterdam und London, wo Mitbewerber eigene Austauschknoten unterhalten – oder anders gefragt: Was ist attraktiver am Mittelmeer?

Harald Summa (lacht): Das wärmere Klima zunächst einmal. Aber die Positionen der Betreiber in Amsterdam und London sind geschichtlich zu sehen. Dort sind die allerersten Seekabel aus den USA an Land gekommen, von dort aus wälzte sich der Verkehr weiter über den Kontinent. Ein ähnliches Phänomen konnte man später auch für den Osten erwarten. Wir waren rechtzeitig in Moskau und haben nun die Situation, dass viele Betreiber aus dem Osten nach Frankfurt gekommen sind. Die Situation im Mittleren Osten und Afrika ist jetzt ähnlich, der Verkehr nimmt so weit zu, das neue Austauschknoten sinnvoll erscheinen.

Zudem gab es in den letzten 12 Monaten substanzielle Veränderungen: Die Unterseekabel liegen zwar schon seit längerem, aber sie werden jetzt erst in offenen Rechenzentren zugänglich.

heise Netze: Aber weshalb sollte man da Racks und Switche hinstellen?

Summa: Die offenen Rechenzentren sind nicht nur Anziehungspunkte für Netzbetreiber, sondern auch für Content-Anbieter und Suchmaschinenbetreiber. Sie wollen den Content näher an die Kunden in Afrika und den Mittleren Osten bringen. Es gibt zwar auch in Nordafrika eine florierende Internet-Infrastruktur, beispielsweise in Tunesien, aber die Rechenzentren dort sind für den nationalen Verkehr ausgelegt.

heise Netze: Was bedeutet das für Afrika und Asien?

Summa: Schätzungen zufolge liegen zurzeit 80 Prozent des afrikanischen Contents in Europa. Mit den neuen Angeboten in den Rechenzentren von Marseille und Palermo können die Inhalte näher an die Teilnehmer rücken. In der Praxis bedeutet das kürzere Latenzen.

heise Netze: Die neuen Rechenzentren und Austauschknoten beschleunigen also das Internet für Zugriffe aus Afrika.

Summa: Ja, wenn sich der Verkehr so wie wir hoffen verlagert, wird das Internet für Afrika schneller.

heise Netze: Was bedeutet das für Nutzer in Europa? Kriegen wir nun noch mehr Spam aus Nigeria?

Summa (schmunzelt): Aus dieser Perspektive haben wir das bisher nicht betrachtet. Wir gehen insgesamt von einer Verkehrsverlagerung aus. Es gibt zwei Bewegungsrichtungen, einmal von West nach Ost und einmal von Nord nach Süd. Man kann davon ausgehen, dass künftig die Zuwächse am Mittelmeer zunehmen und höher sein werden als in Frankfurt. Im ersten Quartal haben wir in Frankfurt 2,3 Terabit an Konnektivität verkauft. Wenn das so weitergeht, können im ersten und zweiten Quartal zusammengerechnet, vorsichtig geschätzt, 4 Terabit zusammenkommen. Diese Entwicklung befördern überraschenderweise nicht nur sehr viele 10-GE-Ports am DE-CIX in Frankfurt, sondern auch schon einige 100-GE-Ports, womit wir noch gar nicht gerechnet hatten. Aktuell steht das Nachfrageverhältnis von 10 GE zu 100 GE sogar bei etwa 3:1. Wir rechnen damit, dass die neuen CIXe die Zuwachsraten in Frankfurt noch übertreffen werden.

heise Netze: Was bedeutet Apollon-Technik im Zusammenhang mit Austauschknoten?

Summa: Wir setzen dieselbe Technik ein wie am Frankfurter Austauschknoten. Die Hardware, also die Switche, stammen wie in Frankfurt von Alcatel-Lucent. Hinzu kommt unsere spezielle Software-Umgebung. Dazu zählt beispielsweise unsere eigene Middle-Ware-Lösung, mit der wir die Teilnehmer anbinden.

heise Netze: ...sofern der Hausmeister in Marseille die Kabel schon in die Ports gesteckt hat?

Summa (lacht): Richtig, sobald die Hardware-Montage vor Ort abgeschlossen ist, lassen sich die einzelnen Komponenten Remote steuern. (dz)