Irland nimmt Hürde zum EU-Rettungspaket

"Die EU hat uns genug Seil gegeben, um uns selbst zu erhängen", bewertet ein irischer Volkswirtschaftler den Rettungsschirm

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Der Weg zu den 85 Milliarden Euro, die Irland vor allem zur Bankenrettung braucht, ist weitgehend frei. Nachdem die EU-Finanzminister das Hilfspaket in Brüssel abgesegnet hatten, nahm in der irischen Hauptstadt Dublin der Sparetat die ersten Hürden. Nach den schon bisherigen harten Sparmaßnahmen sollen im Haushalt 2011 erneut 6 Milliarden Euro eingespart werden, etwa 4% des gesamten Bruttoinlandsprodukts (BIP). Zwei Drittel davon kommen vor allem aus Kürzungen im Sozialhaushalt, ein Drittel soll durch Steuererhöhungen in die Staatskassen fließen.

Noch etliche Abstimmungen sind in den kommenden Tagen und Wochen nötig, um den Haushalt 2011 definitiv zu beschließen. Da die Regierung die ersten Maßnahmen durch das Parlament gebracht hat, besteht kaum Zweifel daran, dass sie trotz der fehlenden Mehrheit den Haushalt beschließen kann. Und der ist Vorraussetzung für die Nothilfe. Am Dienstag ging es zunächst vor allem um Steuerfragen. So wurden die Steuern auf Benzin und Diesel genauso erhöht, wie die Einkommenssteuer angehoben wurde. So werden künftig sogar die niedrigen Einkommen heftiger besteuert. Ein Industriearbeiter wird zukünftig durchschnittlich mit 1.400 Euro im Jahr stärker belastet, das sind etwa 5% seines Einkommens. Zahllose Iren mit sehr niedrigeren Einkommen werden nun erstmals zur Steuerkasse gebeten. Die umstrittene Unternehmenssteuer bleibt aber bei günstigen 12,5%.

Insgesamt soll es noch zwei weitere Abstimmungsrunden geben. Noch in dieser Woche sollen die drastischen Einschnitte beim Kinder- und Arbeitslosengeld beschlossen werden. Das Sozialbudget wird im nächsten Jahr insgesamt um 4% gekürzt. Der Mindestlohn wird um 7% gesenkt und Neueinsteiger im öffentlichen Dienst erhalten sogar 10% weniger als bisher. Die Beamtenrenten werden um 5 – 10% gekürzt und Pensionen über 12.000 Euro im Jahr verlieren 4% Kaufkraft. Auf Irlands Bürger kommen nun "traumatische und beunruhigende Zeiten" zu, gab sogar Finanzminister Brian Lenihan im Parlament zu.

Unklar war bis gestern, ob die beiden unabhängigen Abgeordneten den Etat absegnen würden, auf deren Stimmen die Regierung aus Konservativen und Gründen angewiesen ist. Sowohl Michael Lowry als auch sein Kollege Jackie Healy-Rae wollten den Haushalt nicht einfach abnicken. Lowry erklärte aber vor der Sitzung, er werde für die Maßnahmen der Regierung stimmen. Schließlich unterstützte auch Healy-Rae die Regierung von Ministerpräsident Brian Cowen und seiner Fianna-Fail-Partei erneut. Zudem hatte die große oppositionelle Fine Gael angekündigt, dass sich im Fall eines möglichen Scheiterns einige ihrer Abgeordneten enthalten würden, um der Regierung eine Mehrheit zu sichern.

Nach der ersten Abstimmungen im Parlament gab schließlich auch der Internationale Währungsfonds (IWF) in Washington bekannt, dass am Freitag über die Freigabe der Kredithilfen in Höhe von 22,5 Mrd. Euro entscheiden werde. Dass der IWF seine 22,5 Milliarden an den 85 Milliarden Euro übernimmt, steht damit außer Frage. Somit ist die Rettung durch das teure Paket beschlossene Sache, zu der Irland - unter anderem durch das Plündern der Rentenkassen – 17.5 Milliarden Euro selber beiträgt.

Teuer ist das Paket, weil das Land nicht nur tot gespart wird, sondern es wird die Zinslast niemals aufbringen können. Mit 5,82% müssen die Iren nun sogar noch höhere Zinsen aufbringen als Griechenland. Das sei ein "Todesurteil", denn man habe damit Irland ein ausreichend langes Seil in die Hand gedrückt, "um uns selbst zu erhängen, in der Hoffnung, dass wir sie nicht alle hängen". Das erklärte der irische Ökonom David McWilliams in Anspielung darauf, dass in Irland bisweilen erklärt wird, die Banker würden es verdienen, "erschossen zu werden."

McWilliams rechnet vor, dass sich der Schuldenstand des Landes bis 2014 auf 175 Milliarden Euro erhöhen werde. In einem optimistischen Szenario fielen dann im Jahr 8,5 Milliarden Euro an Zinsen an. Doch das kann keine noch so sparwütige Regierung einsparen. Nur ein Wirtschaftswachstum von 8% könne das Land davor bewahren, in diesen Schulden zu ertrinken. Dabei geht sogar die sehr optimistische Prognose der Regierung von 4% aus. Im 2.Quartal 2010 schrumpfte die Wirtschaft wegen des Sparkurses allerdings um 1,2%. Für das 3. Quartal lagen Eurostat auch am 2. Dezember noch immer keine Zahlen vor.