Ist Schizophrenie ein städtisches Phänomen?

Eine Studie sieht einen Zusammenhang von Schizophrenie und sozialer Fragmentiuerung in Städten

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Städte sind noch stärker als jemals zuvor in der Geschichte der Lebensort der Menschheit. Mehr als die Hälfte der Menschen lebt bereits in Städten. Auch wenn in manchen Regionen der Industriestaaten die Städte teils erheblich schrumpfen, wie dies etwa in Ostdeutschland der Fall ist, so ist vor allem in den Entwicklungs- und Schwellenländern der Zustrom in die Städte weiterhin groß, die teilweise alle vorstellbaren Größenordnungen durchbrechen und nicht mehr Megacities bilden, sondern urbane Korridore.

Von Städten scheint noch immer ein Versprechen auf ein besseres Leben auszugehen, sie sind auch oft die wichtigsten Wirtschaftsmotoren und natürlich auch die Orte mit der höchsten kulturellen Dynamik. Allerdings steigt in den Städten auch das Risiko für nicht affektive Psychosen, wie britische Forscher von der School of Medicine der Cardiff University bestätigen konnten. Als nicht affektive Psychosen werden Schizophrenie und damit verbundene Psychosen im Unterschied zu den affektiven Psychosen wie schwere Depressionen oder Manie bezeichnet. Bei Depressionen wurde in den vielen Untersuchungen kein Stadt-Land-Unterschied festgestellt, es gibt hier allerdings auch Hinweise darauf, dass die Prävalenz in unterprivilegierten Schichten höher ist. In einer deutschen Studie wird anhand der Daten von Krankenkassen jedoch deutlich, dass etwa Menschen, die in Hamburg leben, auch mehr Depressionen und Angststörungen haben, als der Bundesdurchschnitt.

Obgleich weiter Uneinigkeit herrscht, ob die Schizophrenie genetisch bedingt ist oder nicht, wird das häufigere Vorkommen in Städten gerne mit der urbanen Lebensweise verbunden. Isolation, sozialer Zerfall der Gemeinschaften, Armut und soziale Benachteiligung, hohe Bevölkerungsdichte, stärkere Kriminalität etc. werden als mögliche Gründe genannt. Um zu überprüfen, ob tatsächlich "Urbanität" für die Unterschiede zwischen den Menschen, die in Städten oder auf dem Land leben, verantwortlich ist, wurde von den Forschern die Situation an den Schulen oder in den Nachbarschaften/Stadtvierteln berücksichtigt.

Ausgewertet haben die britischen Wissenschaftler für ihre Studie, die in den Archives of General Psychiatry erschienen ist, eine Langzeitstudie aller Schweden, die zwischen 1972 und 1977 geboren wurden. Von den über 200.000 Menschen sind zahlreiche Daten erhoben worden, eben auch über die Schulen, Gemeinden und Bezirke. Bei knapp einem Prozent wurde eine Psychose diagnostiziert, das entspricht der weltweiten Prävalenzrate.

Einen Zusammenhang zwischen Urbanität und einem höheren Psychoserisiko stellten die Forscher anhand des Zusammenhangs zwischen dem Leben in Städten, dem Zerfall sozialer Gemeinschaften in den Schulen und sozialer Benachteiligung. Die Eigenschaften der Lebensumwelt, besonders die soziale Fragmentierung in den Städten, in denen die Menschen aufwachsen, käme dabei deutlicher zur Geltung als die individuellen Eigenschaften der Menschen, die ansonsten für die Varianz verantwortlich seien. Nach Ansicht der Forscher sei aus ihren Ergebnissen abzuleiten, dass nicht nur die Integration, sondern auch das "lokalisierte Gefühl der Sicherheit, der Zusammenhalt und das Gemeinschaftsgefühl" gestärkt werden müsse, um die psychische Gesundheit der Bevölkerung zu stärken.

Allerdings reichen die Ergebnisse keineswegs aus, um wirklich die Gründe für die erhöhte Schizophrenie-Prävalenz in Städten erkennen zu können. Die Frage wäre etwa auch, warum dies bei der Schizophrenie so sein soll, nicht aber bei Depressionserkrankungen. Ungeklärt bleibt auch, ob nicht in Städten die Menschen, vielleicht auch weil sie einsamer leben, eher einen Arzt oder eine psychiatrische Klinik aufsuchen, die möglicherweise auch eher eine entsprechende Diagnose stellen. Man weiß allerdings auch, dass auch die Beschäftigung einen Zusammenhang mit psychischen Erkrankungen hat.