Italienische Anti-Piraterie-Behörde erhält Lizenz für Websperren

Das Kommunikationsamt Agcom hat sich eine Befugnis verpasst, wonach sie binnen 72 Stunden im Schnellverfahren das Löschen von Inhalten oder die Blockade von Webseiten anordnen darf. Eine Richtergenehmigung ist nicht nötig.

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Die italienische Kommunikationsbehörde Agcom (Autorità per le garanzie nelle comunicazioni) hat eine Verordnung verabschiedet, auf deren Basis sie binnen 72 Stunden im Schnellverfahren das Löschen rechtswidriger Online-Inhalte bei Hostprovidern oder die Blockade einschlägiger Webseiten durch Zugangsanbieter anordnen darf. Eine Richtergenehmigung für eine entsprechende Verfügung zum Schutz von Verwertungs- und Urheberrechten muss sie dafür nicht einholen.

Den Betroffenen sollen ihrerseits drei Tage Zeit bleiben, einer entsprechenden Verfügung nachzukommen. Insgesamt ist vorgesehen, dass mögliche Websperren in einem Schnelldurchgang spätestens nach zwölf Tagen greifen. Voraussetzung ist, dass Urheber oder Verwerter einen schweren Eingriff in ihre Rechte monieren beziehungsweise Hinweise auf massive Copyright-Verstöße vorliegen. In weniger gravierenden Fällen ist eine Verfahrensdauer von 35 Tagen eingeplant. Provider, die sich selbst im Recht sehen, können Beschwerden an Verwaltungsgerichte herantragen. Bislang sind Zivil- oder Strafgerichte in Italien für Urheberechtsfälle zuständig.

Bürgerrechtler, Verbraucherschützer, Rechtsanwälte und Vereinigungen der italienischen Internetwirtschaft hatten einen ersten, im Juli veröffentlichten Verordnungsentwurf scharf kritisiert. Sie fürchten willkürliche Zensurmaßnahmen auf Basis der neuen Befugnisse der Anti-Piraterie-Behörde. Der Jurist Fulvio Sarzano moniert nun vor allem, dass sich die Agcom die neuen Regeln im Alleingang verpasst habe ohne Beteiligung des Parlaments. Die Bestimmungen seien zudem unverhältnismäßig. Das Amt selbst beruft sich auf die E-Commerce-Richtlinie, die das beabsichtigte Vorgehen erlaube.

Anbietern, die den Auflagen unbegründet nicht nachkommen, drohen Strafen bis zu 250.000 Euro. In Kraft treten sollen die neuen Regeln Ende März. Endnutzer sind davon nicht betroffen, auch auf Filesharing-Netzwerke zielt die Verordnung nicht direkt ab: Italienische Zugangsanbieter müssen schon jetzt auf Grundlage verschiedener Gerichtsurteile den Zugang zu Torrentverzeichnissen wie The Pirate Bay oder KickassTorrents erschweren.

Ob die Politik das beabsichtigte Walten der Agcom noch verhindern kann oder will, ist offen. Der neue Chef der Sozialdemokraten in Rom, Matteo Renzi, bezeichnete das Ansinnen jüngst als "seltsam". In Frankreich soll derweil die dortige einschlägige Behörde Hadopi, die ursprünglich auch das Kappen von Internetanschlüssen verordnen konnte, mittelfristig abgewickelt oder zumindest neu ausgerichtet werden. (jk)