Jugendverbände: Mit dem "Qualitätssiegel" gegen Fake News und Hass im Netz

Der Bundesjugendring hat der Politik Leitlinien für jugendgerechte soziale Netzwerke übergeben mit Fokus auf Datenhoheit, Transparenz und Manipulationsschutz.

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(Bild: George Rudy / Shutterstock.com)

Lesezeit: 4 Min.

Der Deutsche Bundesjugendring (DBJR) hat dem Bundesministerium der Justiz und Verbraucherschutz (BMJV) am Freitag Leitlinien "für jugendgerechte soziale Netzwerke" übergeben. Die Leitlinien legen Schwerpunkte auf Datenhoheit, Transparenz, effektiven Schutz vor Hassbotschaften und Manipulationen, Interoperabilität sowie Barrierefreiheit. Im Rahmen des vom BMJV geförderten Projekts haben Jugendliche die "Themen und Schwerpunkte" in einem Barcamp erarbeitet und dann "in Workshops mit Expert*innen vertieft", wie der Dachverband der deutschen Jugendverbände erklärt.

"Ich kann einfach gerichtssichere Bildschirmfotos als Beweisfotos bei digitaler Gewalt speichern", lautet eine der 21 Forderungen. Gängige Screenshots seien "nicht unbedingt gerichtsfest", erläuterte Projektreferentin Sharon Maple dazu. Es bräuchte daher "spezielle Plug-ins für den Browser". Gefordert wird zudem, dass man überall anonym Anzeige erstatten können müsse.

Wert legen die Verfasser auch auf ein "menschenwürdiges Miteinander" und einen respektvollen Umgang im Netz. Hetzer sollen "einfach, schnell und dauerhaft in allen Netzwerken" blockiert werden können, um einem systematisch organisierten Shitstorm entgegenzustehen. "Wir brauchen gute juristische Möglichkeiten", betonte die mit eingebundene Katja Pfeiffer. "Der digitale Raum gehört zu unserer Lebensqualität."

Nur ein kleiner Anteil der Menschen, die sich online bewegten, lösten die meiste Hassrede aus. Es wäre daher auch hilfreich, HateSpeech löschen und die Kommentarfunktion möglichst schon im Vorfeld ausstellen zu können. Für die Obrigkeit soll es im Netz aber ebenfalls Grenzen geben. Pfeiffer ist sich bewusst, dass die Polizei und andere staatliche Kräfte die Rechte auch missbrauchen könnten, die man ihnen geben wolle.

Gefordert werden darüber hinaus Einstellungen für Datensouveränität. Angebote müssten auch gut und sicher nutzbar sein, ohne dass die Abgabe persönlicher Informationen über das technisch und gesetzlich Notwendige hinausgeht. "Wir geben leider sehr viel über uns preis, wenn wir uns in sozialen Netzwerken die Zeit vertreiben", räumte der im Chaos Computer Club (CCC) aktive Rafael Haigermoser ein.

Auch für "Digital Natives" sei es "sehr kompliziert zu verstehen", was die Plattformbetreiber mit den Nutzerdaten machten, weiß Haigermoser. Es sollte daher einfach nachvollziehbar sein, "warum mir Beiträge und Inhalte angezeigt werden". Auf die Auswahl über Algorithmen müssten die User Einfluss nehmen können. Zudem sollten unter kontroversen Beiträgen Hinweise auf seriöse Quellen aus Medien und Behörden stehen.

Es sei möglich, "faktenbasierte Inhalte" etwa mit einer Voting-Funktion zu pushen und unseriöse Beiträge mit Warnhinweisen zu versehen, ergänzte Maple. Perfekt sei diese Lösung aber noch nicht, da sie selbst manipuliert werden könnte. Auch ein "Qualitätssiegel analog zum Verbraucherschutz" sei im Kampf gegen Fake News vorstellbar. Influencer sollten ab einer gewissen Reichweite verpflichtet werden, ihre Inhalte zu verifizieren.

Ein Wechsel zwischen Netzwerken müsse problemlos möglich sein, unterstrich Haigermoser. Wer bei WhatsApp sei, könne derzeit nicht mit Nutzern von Signal kommunizieren. Die Betreiber wollten damit aber vor allem Kunden an sich binden, während aus technischer Sicht wenig gegen offene Schnittstellen spreche. Kleine Netzwerke mit transparenten Standards müssten durch öffentliche Mittel gestärkt werden, um die Marktmacht der großen Plattformen einzuhegen, sagte Maple.

Viele Jugendliche verspürten "eine gewisse Art von Machtlosigkeit" gegenüber den Anbietern, erklärte die DBJR-Vizevorsitzende Daniela Broda. Sie fühlten sich auf den meisten Plattformen unwohl, da sie persönliche Daten preisgeben sowie sich mit intransparenten AGBs auseinandersetzen müssten. Dazu kämen undurchsichtige Algorithmen. Broda appellierte an die Politik, die Leitlinien in konkrete Entscheidungen einzubinden. Pfeiffer wünschte sich einen "Jugendcheck", bevor Gesetzesentwürfe ins Parlament gingen.

Justizstaatssekretär Christian Kastrop (SPD) versprach, die Prinzipien der Jugendlichen in die laufenden Verhandlungen auf EU-Ebene über das geplante "Plattform-Grundgesetz" in Form des Digital Services Act (DSA), über den Rechtsakt für Künstliche Intelligenz und den Data Governance Act einzubringen. Mit dem Netzwerkdurchsetzungsgesetz und dem Paket gegen Rechtsextremismus und Hasskriminalität "haben wir bereits viel erreicht" beim Regulieren der Betreiber, meinte Kastrop.

(vbr)