Justizministerin hält Selbstregulierung im Netz für unzureichend

Bundesjustizministeriun Herta Däubler-Gmelin warnt vor einer Überlastung der Internet-Verwaltung ICANN.

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Bundesjustizministerin Herta Däubler-Gmelin fürchtet eine "Überlastung von ICANN" und anderer selbstregulativer Institutionen im Internet. Die Problemfelder, mit denen das Internet die "Offline-Gesellschaft" konfrontiert, gehen nach Ansicht der SPD-Politikerin weit über die Vergabe von Domain-Namen und die Kontrolle über den Namensraum des Internet hinaus. Ungelöst sieht sie vor allem die Bereiche Internet-Kriminalität, Jugendschutz, Copyright sowie Verbraucher- und Datenschutz. Diese Probleme "durch Selbstregulierung im ICANN-Rahmen bewältigen zu wollen, wäre mit Sicherheit eine Überforderung und zum Scheitern verurteilt", sagte die Ministerin in Berlin.

Wer nur auf die Eigenverantwortung von Internet-Providern und Netzbürgern setze, hänge der Auffassung von einem Internet "ohne demokratisch legitimierte und verfassungsrechtlich gebundene rechtliche Grundlagen an." Das sei aber eine Illusion. Däubler-Gmelin wies der Internet Corporation for Assignend Names and Numbers (ICANN) daher allein die Rolle zu, über die Weiterentwicklung des numerischen Adressraums zu wachen und sich auf eine größere Verfügbarkeit des Internet zu konzentrieren. Damit teilt sie die Selbstbeschreibung der ICANN, die sich selbst als eine Art rein technische Koordinierungsstelle sieht. Kritiker sind dagegen der Auffassung, dass ihre Entscheidungen automatisch viel weiter in den Bereich der Netzregulierung eingreifen.

Für Däubler-Gmelin ist jedenfalls klar, dass es "für die wirksame Bewältigung der aktuellen Probleme des Internet keine Alleinvertretung" gibt. "Hier müssen alle kooperieren, auch die bestehenden internationalen Organisationen mit ihrer jeweils eigenen Sachkunde", sagte die Ministerin. Ausdrücklich begrüsste sie in diesem Zusammenhang, dass sich die Weltorganisation für geistiges Eigentum (WIPO) frühzeitig in die Schlichtung von internationalen Streitigkeiten rund um Domain-Namen eingebracht hat: "Das WIPO-System funktioniert." Deswegen gehe es nun darum, diese Mechanismen "auch auf andere Konfliktfelder zwischen Domain-Namen und bürgerlichen Namen, geographischen Angaben, Handelsnamen und auch Namen etwa von demokratisch gewählten Institutionen auszudehnen. Auch im Internet müssen nach Meinung der Ministerin "Mechanismen etabliert werden, die einen effektiven Schutz der Inhaber gewerblicher Schutzrechte und Namensrechte sicherstellen." Die freie Entfaltung der Aktivitäten im Internet dürften dabei aber nicht "über Gebühr" behindert werden.

Weiter forderte die Bundesjustizministerin ein entschiedeneres internationales Vorgehen gegen "Angreifer auf das Internet", Netzbetrüger und -piraten sowie Verbreiter von Hass. Sie erinnerte an die "Berliner Erklärung", die sie vor einem knappen Jahr in Berlin vorgestellt hatte. Dadurch soll ein Mindestbestand an Strafbestimmungen vereinbart und die internationale Strafverfolgung verbessert werden. Dabei will Herta Däubler-Gmelin auch mit dem Europarat zusammenarbeiten. Dessen geplante Konvention gegen Cyberkriminalität ist allerdings heftig umstritten.

Aber den Kampf gegen die dunklen Seiten des Netzes will auch die Ministerin nicht allein mit anderen Regierungen stemmen. Ihre Bedenken äußerte sie im Rahmen der am heutigen Freitag in Berlin statt findenden Konferenz Internet Governance – Wer regiert das Internet?, zu der die Friedrich-Ebert-Stiftung sowie die Bertelsmann-Stiftung eingeladen hatten. Ausdrücklich begrüsste Däubler-Gmelin daher auch, "dass die Industrie Filter entwickelt." Die Bertelsmann-Stiftung ist schließlich einer der größten Förderer der Internet Content Rating Association (ICRA), deren Filterplattform nach Angaben der Medienbeauftragten der Stiftung, Ingrid Hamm, "im Sommer gelauncht wird". Däubler-Gmelin sieht in dieser Initiative einen "vielversprechenden Ansatz" für die "Ko-Regulierung", für die sich Bertelsmann seit längerem stark macht.

Siehe dazu auch: Das Internet und das Recht -- neue Regeln für ein neues Medium.(Stefan Krempl) / (jk)