KI-Boom: Enormes Wachstum bei US-Rechenzentren
Auf Teufel komm raus werden neue US-Datenzentren aus dem Boden gestampft. Es reicht nicht. Wer namhafte Kapazitäten braucht, muss sich Jahre vorher einmieten.​
Einen Bauboom bei Rechenzentren hat der Boom bei maschinellem Lernen (ML) und Künstlicher Intelligenz (KI) ausgelöst. Die Kapazitäten der US-Rechenzentren in den acht wichtigsten Regionen (primary market) sind in nur einem Jahr um ein Viertel gestiegen. Gleichzeitig ist dort so wenig Kapazität frei wie noch nie. Im ersten Halbjahr waren gerade 2,8 Prozent nicht vermietet. Das lässt die Mieten steigen.
Das geht aus der halbjährlichen Erhebung des Immobilienspezialisten CBRE zu North America Data Center Trends hervor. "Das Wachstum von KI und ML führt zu signifikanten Änderungen bei Datenzentren", schildert CBRE, "darunter zunhemende Nutzung von Grafikprozessoren und Flüssigkühlung, um die Hitze der energieintensiven Anwendungen" abzuführen. Bestehende Gebäude können die neuen Anforderungen oft nicht erfüllen, weshalb sich der Bauboom auf komplett neue Anlagen konzentriert. Anmerkung: Die folgenden Angaben beziehen sich auf die Top 8 US-Regionen für Rechenzentren im ersten Halbjahr 2024, soweit nicht anders angegeben.
Mietverträge Jahre im Voraus
Die mit Abstand wichtigste Region ist das nördliche Virginia mit gut 2,6 Gigawatt Kapazität. Das sind 357 Megawatt mehr als noch im ersten Halbjahr 2023. Dennoch sind nicht einmal 39 MW frei. Chicago weist mit +222 MW das zweitgrößte Wachstum auf und schickt sich an, mit insgesamt 590 MW Dallas/Fort Worth (+92 MW auf 592 MW) als zweitgrößten US-Standort abzulösen.
Dreistelligen MW-Zuwachs gibt es auch in Phoenix (+151 auf 511 MW, viertgrößte Region), und Hillsboro, Oregon (+179 MW auf 427 MW), das Atlanta (+39 auf 310 MW) von Platz 6 verdrängt hat. Dazwischen liegt auf Platz 5 das Silicon Valley (+49 auf 459 MW). Dort sind Grundstücke relativ teuer, was auch zu hohen Mieten führt: Rechenzentren veranschlagen im Silicon Valley 155 bis 250 Dollar pro Kilowatt Kapazität und Monat, während man in Dallas mit 135 bis 170 Dollar dabei ist. Im Schnitt der acht Regionen sind es 174 Dollar, ein Zuwachs von 18,6 Prozent gegenüber 2023.
Im Vergleich zu 2020 hat sich die Kapazität in Hillsboro versiebenfacht, und in vier weiteren der Top 8 Regionen mehr als verdoppelt. Gleichzeitig wird so viel gebaut wie noch nie. Im ersten Halbjahr waren Rechenzentren mit einer Gesamtkapazität von 3,9 Gigawatt in Bau – das achteinhalbfache der gesamten Bautätigkeit 2020. Hinzu kommt mehr als ein halbes GW, das auf dem secondary market im Bau ist (neunt- bis sechzehntgrößte Region), denn auch dort ist nur noch ein einstelliger Prozentsatz frei.
Vor allem in Atlanta (1,3 GW) und im nördlichen Virginia (1,2 GW) rollen die Bagger. Dabei sind die meisten der in Bau befindlichen Anlagen längst vermietet, von den insgesamt 3,9 GW sind 3,1 GW schon weg. Wer namhafte Kapazitäten braucht, sollte die Mietverträge zwei bis vier Jahre vor Inbetriebnahme abschließen.
4 Jahre warten auf Strom
Die Vorlaufzeiten dürften eher länger als kürzer werden. Grund sind Schwierigkeiten mit der Stromversorgung. "Stromanschlussvorlaufzeiten werden im zweiten Halbjahr 2024 weiter zunehmen, weil verfügbare Ausrüstung wie Trafos, Schalter und Generatoren knapp sind", berichtet CBRE, "Schwierigkeiten bei der Beschaffung notwendiger Ausrüstung wird zu Anschlussverzögerungen von bis zu vier Jahren führen."
Der Bauboom dürfte weitergehen, nicht zuletzt aufgrund sinkender Zinsen. Equinix und PGIM haben im ersten Halbjahr bekanntgegeben, gemeinsam 600 Millionen Dollar in ein neues Rechenzentrum im Silicon Valley zu investieren. Ein Konsortium um Mitsubishi wird 400 Millionen Dollar in zwei Anlagen in Dallas stecken. Sie sind bereits jetzt zur Gänze vermietet. Nebenbei hat Amazons AWS im März einen 650 Millionen Dollar schweren Kaufvertrag über ein Datenzentrum direkt neben einem Atomkraftwerk in Pennsylvania abgeschlossen.
Stromversorgung, Glasfaser-Backbones und Grundstückpreise sind die wichtigsten Parameter für neue Datenzentren. Das dürfte dazu führen, dass neue Hyperscale-Datenzentren auch in bislang wenig bedeutenden US-Regionen entstehen. CBRE erwartet insbesondere im nördlichen Indiana, Idaho, Arkansas und Kansas zunehmendes Interesse von Investoren.
(ds)