KI-Software bringt bessere Behandlungsmöglichkeiten für Leukämie bei Kindern

Das KI-Tool clinALL unterstützt die ärztliche Diagnostik bei pädiatrischer Leukämie und liefert Behandlungsempfehlungen, wie eine aktuelle Studie zeigt.

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KI-Computergrafik mit Darstellung eines EKG und Stethoskops

(Bild: Erzeugt mit Dall-E durch heise online)

Lesezeit: 4 Min.

Genetische Veränderungen sind die treibende Kraft bei Krebsarten wie der Leukämie. Leukämien sind die häufigsten bösartigen Erkrankungen bei Kindern. Sie entstehen im Knochenmark und zeichnen sich durch unkontrolliertes, klonales Wachstum von Vorläuferzellen des blutbildenden Systems aus. Für Ärzte ist es besonders wichtig, die Fülle der anfallenden Daten richtig zu interpretieren. Das hat einen starken Einfluss auf Prognose und Behandlung.

Wie der Informationsdienst Wissenschaft (IDW) berichtet, kombiniert das mit künstlicher Intelligenz arbeitende Datenintegrationssystem clinALL genetische und klinische Daten auf einer benutzerfreundlichen Plattform. Es erlaubt, klinische und diagnostische Werte auf neue Weise zu erfassen, zusammenzuführen und auszuwerten. Professorin Dr. Anke K. Bergmann, leitende Oberärztin und stellvertretende Direktorin des Instituts für Humangenetik an der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH), arbeitet federführend an diesem Projekt. Gemeinsam mit Dr. Michelle Tang und Dr. Željko Antić bildet Bergmann ein Team im internationalen Leibniz-Zukunftslabor für Künstliche Intelligenz (LeibnizAILab).

Dieses Zukunftslabor, gefördert vom Bundesministerium für Bildung und Forschung und koordiniert von der Leibniz Universität Hannover, konzentriert sich im Teilprojekt auf akute lymphatische Leukämie (ALL). Hier suchen die Beteiligten nach zusätzlichen diagnostischen und prognostischen Markern für die ALL bei Kindern. Im Rahmen einer Studie untersuchten die Forscher das KI-Tool auf seinen Nutzen.

Die im Juni 2024 bei eBIOMedicine unter Open Access veröffentliche Studie erfasste 1.365 Patientinnen und Patienten mit Blutkrebs, hauptsächlich Fälle von pädiatrischer Leukämie. Bei den Patienten wurde eine genetische Routinediagnostik mit verschiedenen Standardtests durchgeführt. Das Forschungsteam betont, dass der zunehmende Umfang und die Komplexität der Sequenzierungsdaten eine große Herausforderung darstellen. Auch andere klinische und diagnostische Daten, wie das Ansprechen auf Medikamente oder die messbare Resterkrankung, erschweren die klinische Erfassung. Diese Faktoren machen die medizinische Interpretation und Diagnostik besonders anspruchsvoll.

Das clinALL-Tool bietet ein von künstlicher Intelligenz unterstütztes Framework, das genomische und klinische Daten in einer benutzerfreundlichen Schnittstelle integriert. Dadurch unterstützt es die Routinediagnostik und liefert wertvolle Erkenntnisse über bösartige Erkrankungen des Blut- und Lymphsystems. So kommen die Studienergebnisse direkt der klinischen Versorgung von Patienten zugute, so die Forscher. "Es war uns auf diese Weise möglich, 78 Prozent der Patientinnen und Patienten zu charakterisieren, die mit den gängigen Methoden nicht bestimmt werden konnten. Somit haben wir insbesondere zur Klärung schwieriger Fälle beigetragen“, so Bergmann.

Die Humangenetikerin und Leiterin des Projekts „AI4ALL“ im Leibniz-Zukunftslabor erläutert weiter, dass clinALL auch andere wichtige Muster entdeckt hat. Es war unter anderem möglich, bestimmte Patientengruppen zu identifizieren, bei denen die Krankheit nach der Behandlung zurückkehrt. Dadurch werden sowohl die Diagnostik als auch die Therapie präziser. Neue Fälle werden frühzeitig erkannt und neue Subgruppen identifiziert. Trotz der eher geringen Fallzahl der Studie funktioniert das Tool nach Angaben der Forscher zuverlässig und liefert wichtige Erkenntnisse, die einen starken Einfluss auf die Patientenversorgung haben. An der MHH ist clinALL jetzt im klinischen Einsatz.

"Das Tool ermöglicht die Integration umfassender klinischer Daten mit erschwinglichen, gezielten Genttests. Somit ist clinALL auch für kleine Labore etwa in Entwicklungsländern interessant“, betont Dr. Michelle Tang. Vor Ort soll das System die Risikoeinschätzung und Entscheidungsfindung verbessern. Dabei liefert es zeitnah klinisch relevante Erkenntnisse. Das stellt einen bedeutenden Fortschritt in der Medizin und den Behandlungsmöglichkeiten für Kinder mit Leukämie dar, so die Medizinerin.

Am Comprehensive Cancer Center (CCC) der MHH forschen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus verschiedenen Fachbereichen gemeinsam an Krebserkrankungen, deren Ursachen und neuen Behandlungsansätzen. Das CCC nutzt seine langjährige internationale Erfahrung in der Grundlagenforschung und translationalen Forschung, um Erkenntnisse schnell in die klinische Anwendung zu bringen. Zwischenzeitlich ist die Studie auch bei ScienceDirect veröffentlicht.

(usz)